Törnberichte

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Tuamotus

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Die Überfahrt von vier Tagen bringt uns am 15. Juni zu den Tuamotus Inseln, die wir in der Zeit bis zum 5. Juli kennen lernen möchten.

Nur 530 Seemeilen von den Marquesas entfernt treffen wir auf eine völlig andere Inselwelt. Auf diesem grössten der fünf Archipele Französisch Polynesiens verteilen sich 77 flache, maximal drei Meter über den Meeresspiegel hinausragende Atolle auf eine Fläche von mehr als 20'000 km2. Auf allen Atollen zusammen wohnen etwa 12'000 Menschen. Sie leben von der Perlenzucht und von den Touristen, meistens Tauchtouristen, denn die Unterwasserwelt der Tuamotus gehört zu den schönsten der Welt. 

Zitat aus dem Reiseführer: zwei Atolle der südlichen Tuamotusgruppe gerieten in die Schlagzeilen der Weltöffentlichkeit. Zwischen 1966 und 1996 zündeten die Franzosen auf Moruroa und Fangataufa knapp 200 Atombomben, etwa ein Viertel davon überirdisch. Nun haben die Franzosen die beiden südlich gelegenen Inseln zu Sperrgebieten erklärt. Zurückgelassen haben sie grosse Mengen radioaktiven Mülls, der in den über 100 Borschächten lagert, zerstörte Inseln, vor allem aber Tausende krebskranke Menschen. 

Während wir durch diese wunderschöne Inselwelt segeln, stellen wir uns vor, dass dieses beeindruckende Naturparadies zum Versuchsgelände für Atombomben benutzt wurde - eine für uns unglaubliche und unverständliche Tragik, die den Menschen und der Natur hier zugefügt wurde.

Als erstes Atoll laufen wir Kauehi an. Wie angenehm ist es, in türkisblauem Wasser den Anker zu werfen und innerhalb des Riffgürtels einfach im ruhigen Wasser zu liegen. Kein Schwell mehr, der Samuri ständig wiegelt und uns nachts den Schlaf raubt, so wie es uns in den Marquesas oft ergangen ist.  

Unsere Freunde Svetlana, Franz und Katerina geniessen es ebenso. Den einen Abend lassen wir mit ihnen am Strand ausklingen. Wir stossen bei Sonnenuntergang mit einem Gläschen an, backen über dem Feuer Brot am Stecken, schlemmen gegrillte Lammkoteletts und Quinoasalat. Wir sind unglaublich dankbar für das wunderbare Geschenk des Lebens, das wir geniessen dürfen.  

Am anderen Ende der Bucht liegt die Segelyacht Alearis. Von Alex und Iris werden wir zum "Sundowner", dem Drink, den der Segler zum Sonnenuntergang geniesst, eingeladen. Die Gespräche zwischen den Männern und uns Frauen sind sehr angeregt und intensiv und wecken in mir das Gefühl, dass aus dieser Begegnung eine langanhaltende Freundschaft entstehen könnte. 

Nach ein paar geruhsamen Tagen entscheiden wir uns, ins nächste Atoll mit dem Namen Fakarava zu segeln. Christian berechnet die Zeit für die Strecke sehr genau, denn wir wollen die Passeinfahrt in diese Atoll bei besten Konditionen durchfahren. 

Wie musst du dir das vorstellen? Ein Atoll ist ein ringförmiges Korallenriff, das eine Lagune umschliesst. Das Korallenriff bildet einen Saum von häufig schmalen Inseln, die nach dem Polynesischen Wort für "Insel" meist als Motu bezeichnet werden. In der Lagune selber kann es noch eine Vulkaninsel geben, die sich über den Meeresspiegel erhebt. Oder aber sie ist im Laufe der Zeit im Meer versunken, sei es durch Erosion oder weil der Meeresboden abgesunken ist.

In einem Atoll gibt es oft mehrere Öffnungen, die sogenannten Pässe, durch welche bei Flut viel Wasser einströmt. Bei Ebbe entleert sich das Atoll wieder. Ist ein Pass sehr breit, entstehen von dem ein- oder ausströmenden Wasser fast keine Wellen. Somit ist die Einfahrt in eine Lagune eines Atolls praktisch zu jeder Zeit passierbar. Ist ein Pass aber schmal, muss sich die ganze Wassermasse durch diesen Engpass zwängen und es kann ein reissender Strom entstehen, der bis zu sechs Knoten ziehen kann. So ist es vorteilhaft, bei Stillwasser ein- oder auszulaufen. Dazu ist es empfehlenswert, bei einer Passage das Sonnenlicht im Rücken zu haben. Die Wassertiefe im Atoll ist oft nur wenige Meter. Untiefen oder schwarze Korallenköpfe sind bei Sonne gut sichtbar, bei bedecktem Himmel oder gegen die Sonne ist es schlichtweg unmöglich, sie zu sehen.

Von unserem Ankerplatz aus fahren wir mit dem Dinghi in Schnorchelausrüstung in den Süd-Pass. Das Wasser ist einlaufend. Wir springen ins Nass, halten uns je auf einer Seite am Dinghi fest und lassen uns mit der Strömung etwa eine halbe Stunde lang mittreiben. Wir erleben ein faszinierendes Wasserkino und sehen einige Schwarzspitzenhaie, riesige Napoleonfische, Schulen von Meerbarben, verschiedene Arten von Barschen, Doktorfische, Papageienfische, Trompetenfische und viele andere Kleinfische. Das Wasser ist so klar, dass wir problemlos über zwanzig Meter bis zum Grund sehen können. 

An einem so interessanten Ort gibt es natürlich eine Tauchschule. So lässt es sich Christian nicht entgehen und bucht sich einen sogenannten "Drifttauchgang". Dabei muss er ziemlich schnell abtauchen, kann sich dann aber am Grund einfach von der Strömung mitziehen lassen. Mit strahlendem Gesicht zeigt mir Christian die Fotos seines unvergesslichen Erlebnisses.

Mit der Crew der Miss Goodnight besuchen wir eine Perlenfarm, die seit über 20 Jahren vom Deutschen Namens Günther geführt wird. Wir erfahren von ihm die interessanten Details der mystischen Südseeperlenzucht. Gerne gebe ich dir eine kurze Zusammenfassung weiter. 

Seit jeher werden die Perlen von den Bewohnern Polynesiens als Geschenk der Götter an die Menschen verehrt. Weniger mystisch ging es wohl zu, als es dem Japaner Mikimoto vor gut 100 Jahren gelang, die erste erfolgreiche Methode zur Perlenzucht zu entwickeln. Dazu wird die krustige Schale einer Perlauster mit einer Metallzange etwa zwei Zentimeter weit geöffnet. Mit einem Skalpell wird das Gewebe der Austerlippen aufgeschnitten und ein kleiner kugelrunder Fremdkörper, Nukleus genannt, in den "Perlensack" implantiert. Ein Nukleus wird aus der Schale einer Süsswasserperle gemacht, weil dieses Material von den Austern gut vertragen wird. Als Farbgeber setzt der Perlexperte, der sogenannte Greffeur, ein paar Stückchen kleingeschnittenes Fleisch einer anderen Auster ein. Um den Fremdkörper unschädlich zu machen, ummantelt ihn die Auster mit einem Perlmuttsekret; eine Perle entsteht. Grundlage für die Bildung eines solchen Juwels ist reinstes Meerwasser und reichlich Plankton. 

Etwa 30% der so behandelten Austern liefern eine Perle, ca. 5% davon sind von höchster Qualität. Auf natürlichem Weg entsteht nur bei jeder 15'000-sten Auster eine Perle. 

Die Perlen sind rund, oval, tropfen- oder zapfenartig, knopfartig oder barock, im Durchschnitt 8 bis 18mm gross und schillern in Farbnuancen, die mit cherry, sky, ocean, water green, aubergine, gold oder champagner beschrieben werden. Ihre Oberflächenreflexion nennen die Experten "Lüster". 

Am Schluss wird der Besucher natürlich durch den Laden gelotst. Doch die altmodischen Modelle von Ringen oder Armbändern überzeugen uns nicht - leider...

Wir freuen uns, dass auch Iris und Alex nach Fakarava kommen. Hier gibt es einen Flughafen und eine gut ausgebaute, etwa 20 Kilometer lange Strasse. Wofür? das haben wir uns auch gefragt. Doch es ist die ideale Gelegenheit, unsere Beine wieder einmal zu trainieren. Wir packen unsere Velos aus, bringen sie mit dem Dinghi an Land und radeln gegen den Wind ans eine Kap, bis unsere Lungen keuchen. Iris und Alex scheinen eine bessere Kondition zu haben. Oder liegt es wohl an ihren gemieteten Velos mit grösseren Rädern und besserer Übersetzung gegenüber unseren eigenen Klappvelos?

Obwohl unsere unteren Regionen ein bisschen schmerzen, entscheiden wir uns anderntags zu einer zweiten Velotour. Von im Wind flatternden Pareos angezogen, stoppen wir bei Veronique. Sie bedruckt diese Körperumhängetücher mit Meerestieren und bastelt Halsketten mit Perlen und ganz kleinen Muscheln. Sie empfiehlt uns, auch bei ihrer Freundin einen Halt einzuschalten. Bei Faka-Delice degustieren wir fünf hauseigene Konfitüren in den Aromen von Grapefruit, Zitrone, Ingwer, Tiarablüte und Hibiskus. Wir können nicht widerstehen, ein paar dieser Leckereien in unseren Rucksack zu packen. So wird auch dieser Tag unvergesslich durch seine bereichernden Begegnungen. 

Abends auf Samuri halten Christian und ich Rückschau auf unsere bis jetzt vergangene Zeit in Französisch Polynesien. Christian würde sich so gerne wünschen, dass wir unseren Aufenthalt hier verlängern könnten und nicht nach drei Monaten ausreisen müssten, so wie es das Gesetz für Schweizer Bürger vorschreibt. Es vergeht keine Woche und unsere Agentin, die wir zum Einklarieren in Französisch Polynesien engagiert haben, schreibt uns, dass sich das Gesetz geändert hat. Schweizerbürger haben neu wie alle EU-Bürger das Recht, unbeschränkt in F.P. bleiben zu dürfen. Nur das Schiff würde nach 2 Jahren mehrwertsteuerpflichtig. Überglücklich präsentiert mir Christian noch am gleichen Abend seinen Vorschlag für eine neue entschleunigte Routenplanung. Gemächlicher reisen klingt auch für mir sehr gut. So werden wir bis Juni 2013 in F.P. bleiben. Neuseeland ist dieses Jahr gestrichen und wir werden Samuri über die Zyklonzeit in einer kleinen Werft im Atoll Apataki der Tuamotus aufs Trockene stellen.  

In der sehr geschützten Bucht Anse Amyot vom Atoll Toau lebt das gastfreundliche Paar Gaston und Valentine. Unser Freund Alex kommt uns schon bei der Einfahrt mit seinem Dinghi entgegen gefahren. Er weist uns zur richtigen Boje und hilft uns beim Festmachen. Wir haben Glück. Gerade heute Abend werden Valentine und Gaston für die Segler ein Essen zubereiten. Schon ein paar Stunden später sitzen wir in heiterer Seglerrunde am schön gedeckten Tisch und schlemmen einheimische Leckereien, zum Beispiel Langusten vom Grill, Poisson cru in Kokossauce und Brotfrucht. 

Gaston bewirtschaftet in seiner Lagune einige Fischfallen, die folgendermassen angelegt sind: in der Form eines "V" werden Drahtgitter aufgestellt, indem sie an Eisenstangen angebunden werden. Die Gitter verengen sich also immer mehr. Die Fische schwimmen in dieses "V" hinein und finden aus der engsten Stelle, einer Reusse, nicht mehr zurück. Sie sind im nachfolgenden Becken gefangen. Bei Bedarf fährt Gaston zur Falle und tötet die Fische mit dem Speer. 

Heute werden Alex und Christian zur Arbeit abgeholt. Sie sollen Gaston beim Abbau einer Fischfalle helfen und diese an einem neuen Platz wieder aufstellen. Die Fische sind nämlich schlau. Sie nehmen wahr, dass ihre Genossen eingesperrt sind und meiden daher die Gegend der Fischfalle. Müde und mit einigen Kratzern an Händen und Körper kehren die Männer zurück. Da haben wir Frauen es einfacher. Iris und ich falten für Valentine drei Körbe Wäsche zusammen und decken und schmücken den Tisch für das Nachtessen der Pensionsgäste. 

Auch Gaston hat eine kleine eigene Perlenzucht und holt für uns ein paar Austern aus dem Meer. Valentine öffnet sie fachmännisch, bringt die glänzenden Perlen ans Tageslicht und ist über deren Qualität hoch erfreut. Sie breitet uns gerne ihre gesamten Schätze an Perlen aus. Natürlich kaufen wir ihr eine Kleinigkeit ab. Zum Abschluss überraschen uns Valentine und Gaston mit dem Geschenk einer Perle für unsere geleistete Arbeit.

Die Wetterprognosen sagen guten Wind voraus, um nach Tahiti in die Gesellschaftsinseln zu segeln. So ist unsere Zeit auf den Tuamotus zu Ende. Bei diesem Abschied können wir zum ersten mal sagen: à bientôt dans quelques mois! 

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