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Neuseeland II

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Teil II unserer Neuseelandreise 

Wir befinden uns im unteren Drittel der Südinsel, im grössten Nationalpark mit 12'500 km/2 Fläche. Wie keine andere Region Neuseelands umfasst der Südwesten des Landes eine geballte Konzentration an atemberaubenden Landschaften. Hier liegen zwei der tiefsten Seen und 15 enge Fjorde. Die vereinigten Nationen haben dieses ganze Gebiet zusammen mit dem Mount Aspiring National Park als Naturerbe der Menschheit zur "Te Wahipounamu World Heritage Area" erklärt. 
Ein charakteristisches und unvermeidbares Merkmal des Fjordlandes ist der Regen. Dies gilt insbesondere für den Milford Sound, der jährlich bis zu 7000mm davon abbekommt. Trotzdem sind diese Landschaften, die mit Schiff und Bus oder einem Rundflug von oben bestaunt werden können, das beliebteste Reiseziel der Touristen. 

Obwohl wir für unsere Reise acht Wochen eingeplant haben, reichen uns die Tage nicht aus, hier für längere Zeit zu bleiben, um ein paar Wandertage einzulegen. Es reizt uns auch nicht, eine Tagestour für 300 Dollar zu buchen, um einmal durch einen Fijord gefahren zu sein. Das ist uns schlichtweg zu teuer. Wir geniessen die pure Natur und die geniale Ruhe am See während einer ausgiebigen Mittagspause. Danach legen wir noch einige Kilometer in Richtung Norden zurück.  

Bis anhin sind wir wirklich gesegnet mit wunderbarem Wetter. Somit sind wir natürlich weniger angewiesen auf die Infrastruktur eines Campingplatzes. Wenn immer möglich, suchen wir uns zur Übernachtung ein idyllisches Plätzchen irgendwo im Grünen oder am See. Heute haben wir besonderes Glück, und so wärmt uns die Abendsonne nach dem erfrischenden Bad nochmals auf, bevor wir das Nachtessen geniessen und danach ins Bett kuscheln. 
Doch es kann ja nicht immer nur heiter Sonnenschein sein. Und so schüttet es an jenem Tag wie aus Kübeln, an welchem wir viel Weg vor uns haben. Wir wollen von Wanaka aus über den Haast Pass an die Westküste fahren. Abends um 18 Uhr werden wir kurz vor der Passhöhe von der Polizei angehalten. Wegen akuter Erdrutschgefahr, ausgelöst durch die starken Regenfälle, wird der Pass über Nacht gesperrt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Truckli auf dem Parkplatz beim Fantal Wasserfall zu parkieren und den nassen Abend bei tosendem Lärm im heimeligen Häuschen zu verbringen. 

Anderntags klärt es auf. Truckli schleppt sich die letzten paar hundert Meter bis zur Passhöhe hinauf. In rassigem Tempo geht es talwärts, am Fox Gletscher vorbei, entlang dem eisigen Gletscherfluss bis hinunter auf Meereshöhe. Zwischenstopp gibt es auf dem Weg bei einer Verkaufsbude, die Whitebaits anbietet. Das sind ganze, nur etwa 5 cm lange, fast durchsichtige Fischchen. Sie gelten auf der Südinsel Neuseelands als Spezialität. Zum Kochen werden sie vorher im zerschlagenen Ei gewendet, gewürzt und danach in der Bratpfanne als dünne Küchlein gebacken. Das Nachtessen ist gesichert.

Im Paparoa Nationalpark treffen wir auf die Pancake-Rocks. Das ist eine Karstlandschaft der besonderen Art. Verschiedenste Schichten Kalkstein sind derart verwittert, dass sie grossen Türmen aufeinander gestapelten Pfannkuchen ähneln. Die Ursache dafür, so lesen wir im Führer, war ein chemischer Prozess, bei dem durch den Druck von übereinander gelagerten Sedimenten abwechselnd feste und weichere Zwischenschichten entstanden. Spätere Bodenerhebungen und Verwitterung haben diesen Effekt noch verstärkt. Lasse diese fotogenen Formationen, von denen du ein paar Beispiele in unserer Bildergallerie findest, doch einfach auf dich einwirken. 
Was dabei auch noch faszinierend ist sind die Blowholes, die riesigen Meereshöhlen, die unter diesem Felsgebäude liegen. Bei Flut schiesst das Wasser durch diese grossen Löcher nach oben und produziert immense Fontänen. 

Schon wieder ist unser altes Mobil gefordert. Es geht über den Arthurs Pass von der Westküste an die Ostküste. Truckli hat in Christchurch einen Termin in der Garage, in der das Ersatzteil auswechselt wird, das vor drei Wochen bestellt werden musste. Danach wird Truckli den Stempel bekommen, der seine Fahrtüchtigkeit für die nächsten 6 Monate bestätigen wird. 
Die Wanderung auf ein Aussichtsplateau ist an diesem langen Fahrtag der nötige und willkommene Unterbruch, unsere steifen Beine zu lockern und Sauerstoff zu tanken. Auch unsere Sinne danken es uns. 

Volkmar, unser Freund aus Christchurch, holt uns in der Garage ab, in welcher das Auto repariert wird. Er verführt uns in der Copenhagen Bäckerei mit so richtig leckerem Gebäck. Hier decken wir uns für die nächsten Tage mit Sauerteigbrot und feinen Dörrfruchtküchlein ein. 
Ein unerfreulicher Bericht! Der Garagist meint, dass Truckli bei der nächsten Inspektion in 6 Monaten ganz bestimmt durchfallen wird. Oder aber wir wären bereit, etwa 2000 Dollar in die Hand zu nehmen und die gröbsten Rostfrasslöcher im Chassi flicken zu lassen. Das sind schlechte Aussichten für einen Wiederverkauf am Ende unserer Reise. Zudem wird dann die Reisesaison dem Ende zugehen, weil der Winter nahen wird. Wer will da noch einen rostigen Campervan kaufen.

Volkmar wittert eine sehr gute Chance, für das Auto schnell einen Käufer zu finden, wenn es ganz frisch nach der Motorfahrzeugkontrolle zum Verkauf ausgeschrieben wird. Und für die letzten drei Wochen unserer Reise könnten wir von ihm einen Sleepervan mieten. 
Gesagt - getan. Noch am selben Tag knipsen wir Truckli von allen Seiten, von innen und aussen ab, und die Verkaufsseite wird aufgeschaltet. 
Schon anderntags melden sich zwei Interessenten. Und ehe es uns lieb ist, packen wir unser Hab und Gut um. Truckli ist für gutes Geld verkauft. Danke, Volkmar! 

Mit bestem Schmaus aus dem Pizzaofen und in dessen heimeligen Wärme verbringen wir mit Volkmars Familie einen gelungenen Abend mit interessanten Gesprächen.

Wir verlassen Christchurch mit einem ganz neuen Fahrgefühl. Hundert Stundenkilometer Geschwindigkeit nehmen wir kaum wahr. Wir fühlen uns sicher auf der Strasse, unser Kopf ist mit einer Kopfstütze geschützt, unsere langen Beine können wir entspannt ausstrecken. Es geht schnell vorwärts. Und doch steigt ein bisschen Wehmut in uns hoch, wenn wir an unser Truckli zurück denken. Und wie werden wohl die kommenden Nächte sein? Ein Sleepervan ist nämlich viel weniger komfortabel als ein Wohnmobil. Wir können auf dem Bett kaum sitzen, wir haben kein verfügbares WC mehr dabei, und die Kochgelegenheit befindet sich hinten im Auto. Bei aufgeklapptem Kofferraumdeckel eröffnet sich eine ausziehbare Koch- und Rüstgelegenheit, eine kleine Tiefkühlbox und ein paar wenige Schubladen für die wichtigsten Kochutensilien. Von jetzt an heisst es Essen im Freien oder  in der Gemeinschaftsküche des Campingplatzes. 
Mit der Zeit stellt sich heraus, dass diese Art des Campens für uns eine gute Übergangslösung ist, die Reise zu vollenden. Doch wir schätzen alleweil ein bisschen mehr Komfort. So mieten wir ab und zu mal ein Zimmer in einem Motel mit Bad und eigener Küche.

Christian ist frisch verliebt. Nein - zum Glück nicht in eine andere Frau. Es ist eine Lavendelfarm in Kaikura, deren Fotos er in einer Immobilienzeitschrift gesehen hat. So darfst du dreimal raten, was unser Tagesziel ist...
Durch ein grosses Eingangstor fahren wir in das zu verkaufende Grundstück und parken. Wir bestaunen den wunderschön angelegten Garten. Leider sind die Lavendelblüten schon geschnitten. Doch unsere gute Vorstellungskraft bringt uns die lila blühenden Felder  vor unser inneres Auge, und wir riechen buchstäblich den intensiven Lavendelduft der Millionen von blühenden Blüten. 
Wir stöbern durch den Laden, in welchem diverse Körperprodukte mit Lavendelöl aus eigener Herstellung und viele zum Thema passende Boutiqueprodukte angeboten werden. Unter dem Sonnenschirm im Garten trinken wir Kaffee, Christian schleckt Lavendeleis. Dabei lassen wir die ersten Eindrücke auf uns wirken. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und versucht, sich vorzustellen, wie oder mit welcher Aufgabe er sich auf diesem Gut einbringen könnte. Christian sieht sich schon als Düftler hinter der selbstgebastelten Ölpresse oder im Garten, beschäftigt mit der Pflege der Lavendelstöcke. Er versucht, mir den Laden schmackhaft zu machen, denn das wäre nicht sein Ding.

Wir gehen einen Schritt weiter und sprechen vorerst mit der Besitzerin, anschliessend mit dem Makler. Anderntags dürfen wir hinter die Kulissen des Verkaufsobjektes schauen und bekommen sogar Einblick in die Umsatzzahlen. 
Es gibt Krisensitzung: Wollen wir hier bleiben und noch mehr Abklärungen vornehmen? Wollen wir unsere geplante Reise weiterführen? Können wir uns ein Leben auf der Südinsel in Neuseeland vorstellen? Wollen wir acht Monate im Jahr einen Betrieb mit Bed und Breakfast führen, Lavendel pflanzen, verarbeiten und daraus Produkte herstellen und diese vermarkten? 
Mir wird es eng im Herzen und ich muss kapitulieren. Neuseeland ist am anderen Ende der Welt. Es ist für mich unvorstellbar, soweit weg von der Heimat zu sein. Und zu meinem Glück, bei Christian ist der hundertprozentige Wow-Effekt auch ausgeblieben!

Im Gebiet von Malborough besuchen wir einige Weingüter. Hier liegen die meisten Rebberge von Neuseeland, weil hier die besten klimatischen Bedingungen herrschen. Im Schutz der Berge erhalten die fruchtbaren Ebenen am Wairau Fluss in der Umgebung von Blennheim und Rennwick um die 2400 Stunden Sonnenschein pro Jahr, unter dem die Trauben heranreifen. Die Winzer schätzen das Anbaugebiet besonders für den Sauvignon Blanc, doch es werden auch leckerer Chardonnay, Pinot noir und Gewürztraminer produziert. 
In den Weinkellereien werden Weinproben angeboten, manchmal kostenlos oder meistens mit einem kleinen Unkostenbeitrag, der bei Kauf von Wein angerechnet wird. So haben wir dieses oder jenes Angebot gerne genutzt und uns auch mit ein paar guten Flaschen eingedeckt. 

In der Herzog-Winery lernen wir den Schweizer Hans Herzog kennen. Er erzählt uns in wenigen Worten seine Geschichte, wie es ihm früher in der Schweiz als Restaurantbesitzer und Weinanbauer zu eng wurde, wie er sich damals vor ca. 20 Jahren in Neuseeland umschaute und dann hier in Blenheim das passende Gebiet fand, seine Träume als Winzer verwirklichen zu können. 
Sein kleines Reich, das er sich hier aufgebaut hat, zeugt von wahrem Können. Auf den wenigen Hektaren Land baut der Mann mit den erdigen Händen und dem urchig glücklichen Gesicht eine Vielfalt von Trauben an, mit welchen er auserlesene Weine produziert. Als grosse Ausnahme im Gebiet von Marlborough pflückt er mit seiner Belegschaft die Trauben noch von Hand, bevor sie in die Weiterverarbeitung gehen. 
Mit Stolz zeigt uns Herr Herzog seinen Weinkeller, um so lieber natürlich, nachdem er gehört hat, dass wir kurz zuvor an der Weintheke den "Grundstein" für unseren zukünftigen Weinkeller eingekauft haben. 
Den Besuch dieser Winery runden wir ab mit einem feinen Mittagessen im sonnigen Garten zwischen Wasserspielen und Weinreben.

Es ist Zeit, die Fähre zur Nordinsel zu besteigen. Wieder begleiten uns auf kurzer Strecke springende Delfine, die in uns Menschen einfach Glücksgefühle erwecken. 

Der grösste Teil der Region Wairarapa im südlichen Teil der Nordinsel ist urtümliches neuseeländisches Schafzuchtgebiet. Im Hauptort Masterton findet noch heute jährlich ein Schafschurwettbewerb statt, praktisch die olympischen Spiele der Wollbranche. Dafür strömen aus der ganzen Welt Wettkämpfer herbei um ihre Geschicklichkeit mit dem Handapparat zu demonstrieren. Ein erstklassiger Schafscherer kann ein Schaffell in weniger als einer Minute entfernen. Sieger kann er jedoch nur werden, wenn er ein glattes und unverletztes Tier aus der Prozedur entlassen kann. Immerhin können wir dieses Schauspiel auf nostalgischem und neuzeitlichem Filmmaterial im Shear Discovery anschauen. Dieses ausgezeichnete, kleine Museum ist in zwei 100 Jahre alten Schurschuppen untergebracht und ist ganz der Wolle gewidmet. 

Ganz in der Nähe, in Carterton, besichtigen wir eine Fabrik, die aus der Paua-Muschel allerlei Schmuck und jeglichen sonstigen Schnickschnack herstellt. Was uns mehr beeindruckt sind die Umstände, wie diese wunderschöne Muschel geerntet wird. Sie wächst erst ab 12 Metern Wassertiefe und darf nur von Apnoe-Tauchern heraufgeholt werden. Dazu muss sie mindestens eine Grösse von 12 cm Länge aufweisen. 

Auch die weiteren Tage der Reise dienen unserer Weiterbildung. Wir kommen durch fruchtbare Gebiete und sehen zum ersten Mal riesige Kiwi-Kulturen. Wir lassen uns auf einer Farm die Oliven-Ölherstellung zeigen und lernen in einem Honighaus viel Interessantes über die Bienen, deren Leben und über die Herstellung von Honig. Natürlich schlecken wir gerne aus den verschiedenen Degustationstöpfen. 
Im städtischen Informationscenter von Waihi erfahren wir die Geschichte der Goldgräberei und schauen uns die interaktive Ausstellung zu den heutigen Arbeitsmethoden in einer Goldmine an. Hast du gewusst, dass aus 1000kg Gestein 11g Gold geschöpft werden?

So, es ist Zeit für die Grossstadt Auckland, die City of Sails. Die Stadt trägt diesen Beinamen, weil man anscheinend beim Landeanflug über den mit Inseln übersäten Hauraki Golf Jachten auf dem glitzernden Wasser kreuzen sieht. 
Rund um diesen Hafen und die wenigen Wolkenkratzer der Innenstadt erheben sich die grasbewachsenen Hügel von etwa 50 erloschenen Vulkanen aus dem Meer, die Vororte der Stadt.  
Auckland ist eine der am dünnsten besiedelten Grossstädte der Welt. Eine knappe Million Menschen wohnt auf der doppelten Fläche von London, das mehr als sieben Mal so viele Einwohner zählt. Etwa 11% der Einwohner dieser weltgrössten polynesischen Stadt zählen sich zu den Nachkommen der Maori, 14 % stammen von Familien aus Tonga, Samoa, den Cook-Inseln, Niue und anderen Inseln des Südpazifik ab.

Ich schlendere gemütlich durch die Strassen und beschäftige mich mit der neuseeländischen Mode. Ich finde sie schrecklich, zum Vorteil der Geldbörse. Christian tummelt sich währenddessen im Maritime Museum. Am Abend wagen wir uns auf das höchste Bauwerk Neuseelands, den 328m hohen Skytower. Während des delikaten Nachtessens im Drehrestaurant auf 220m Höhe bietet sich uns ein überwältigender Blick bis weit hinaus ins Meer oder ins Landesinnere.  

In Waitangi tauchen wir noch einmal in die Geschichte ein. 1840 wurde hier von zwei vorgeblich souveränen Staaten, dem vereinigten Königreich einerseits und den United Tribes of New Zealand andererseits, ein Vertrag unterzeichnet. Er sollte die französische Expansion im Pazifik stoppen und die Maori, die Ureinwohner, vor betrügerischen Landaneignungen seitens der Siedler schützen. Bis heute stellt diese Vereinbarung ein Schlüsselelement der Beziehung zwischen den Ureinwohnern und den europäischen Einwanderern dar. Die darin garantierten Rechte der Maori wurden jedoch nur selten gewahrt, und der Kampf um Anerkennung geht weiter. 
Wir schauen uns in einem traditionellen Versammlungshaus die Show einer mitreissenden Mischung aus Drama, Gesang und Tanz an. Endlich kommen wir in den Genuss eines echten und furchterregenden Haka-Tanzes. Dabei schlagen sich die Männer auf die Schenkel , sperren bedenklich die Augen auf und strecken die Zunge heraus, begleitet natürlich von wütenden Schreien. Durch diese Zurschaustellung körperlicher Kraft und Entschlossenheit wollen sie den Gegner einschüchtern. 

Das Kauri-Museum in Matakohe ist eines der besten Museen des Landes. Es zeigt alles Wissenswerte über das Holz bis zum Harz über den mächtigen Kauribaum. Er ist der grösste und berühmteste der in Neuseeland beheimateten Bäume. Er gehört zu den Koniferen und wächst im subtropischen nördlichen Teil der Nordinsel. Die ersten Vorfahren des Kauri tauchten in der Jurazeit vor 135 bis 190 Mio. Jahren auf. Die Kauriwälder gehören somit zu den ältesten der Welt. 

Wir wollen es uns nicht entgehen lassen und wandern zum grössten, existierenden Kauri, zum "Tane Mahuta", Gott des Waldes. Der Pfad führt uns durch den feuchten Wald. Es riecht nach Moos. Und dann stehen wir vor dem unglaublich mächtigen Riesen. Ich bekomme Gänsehaut. Ein Maori spricht ein Gebet, eine Frau singt ein Lied, mit Gitarre begleitet. Es klingt in uns nach, es ist ganz still. Wir müssen einfach nur Staunen. 
In einem benachbarten Wald steht der älteste Kauri. Er heisst "Te Matua Ngahere", Vater des Waldes und ist schätzungsweise 2000 Jahre alt. Auch bei seinem Anblick erstarren wir vor Ehrfurcht. 

Und nun komme ich zu unserem letzten Highlight unserer Reise. Für einmal lassen wir uns chauffieren. Wir buchen eine Tagestour. Pünktlich um 9 Uhr steht der Bus bereit. Wir müssen noch auf einen Chinesen warten, der im benachbarten McDonald's das Frühstück für seine Familie einkaufen gegangen ist. Der Chauffeur wird langsam nervös. Wir sollten los, denn die Flut wartet nicht. Geplant ist nämlich die Fahrt auf dem "Ninety Mile Beach" entlang dem Meer. Wir wollen zum nördlichsten "Must" von Neuseeland, zum Cape Reinga. Und wer da nicht pünktlich losfährt, geht das Risiko ein, im Sand stecken zu bleiben. Jedes Jahr werden ein paar Privatautos und sogar Touristenbusse begraben. Doch keine Angst, die Menschen können sich immer aufs Land retten. Doch wenn in befristeter Zeit für den Bus keine Abschlepphilfe kommt, wird er von der unaufhaltbaren Flut überspült. 
Endlich geht die Spritztour los. Mit 100 km/h und grösstem Vergnügen rast der Vollblut-Busfahrer über den leeren Strand, lenkt sein Gefährt sicher über kleine Wasserläufe und bringt uns nach gut zwei Stunden schlussendlich wieder auf die normale Landstrasse. Die lange Mittagspause am Cape gibt uns genügend Zeit, die Wellen zu studieren. Hier trifft sich nämlich Ost und West, der Pazifik und die tasmanische See. Das Aufeinandertreffen des Wassers formt dabei mit den Schaumwellen ein Quadrat, sehr speziell.  
Ein kleiner Rast in einer ruhigen Bucht und ein Glacé Stopp verkürzen die lange Rückreise.

Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende und somit auch unsere unvergessliche Reise durch ein Land voller Gegensätze. 7'673 km haben wir unfallfrei zurückgelegt. Wir sind sehr glücklich und dankbar.

Zurück in der Norsand Boatyard in Whangrei finden wir unsere Samuri in bestem Zustand vor. Geplant ist, noch ein paar letzte Arbeiten innert Wochenfrist zu erledigen, dann Samuri zu wassern und mit dem nächsten Wetterfenster den Weg nach Tonga unter die Segel zu nehmen.
Doch es kommt anders. Der Segelmacher, dem Christian einen grossen Auftrag übergeben und viel Vertrauen geschenkt hat, stellt sich als äusserst schwierige Person heraus. Es endet in einem Eklat zwischen den beiden. Nur dank der Hilfe unseres Freundes Volkmar, der extra aus Christchurch einfliegt und geschickt als Mediator, respektive Christian's Vertreter auftritt, kann der Segelmacher bewogen werden, einen Teil des Auftrages mit 3-wöchiger Lieferverzögerung zu übergeben.

Wer die genauen Fakten über den Verlauf dieses Geschäftes mit Charles Viviani nachlesen möchte, findet hier den Link.

Are you intrested in reading the experience we made doing business with the sailmaker Charles Viviani from Opua, here's the link.

Während dieser nervenaufreibenden Zeit harren wir im Town Basin in Whangarei aus und versuchen das beste aus der Zeit zu machen. Unsere Crew, Ingrid & Greg aus Nelson, sind schon mit an Bord. Zum Glück wird es ihnen während der unfreiwilligen Wartezeit nicht langweilig. Sie gehen oft fischen und finden bei einem lokalen Händler sogar ihren Traum-Wohnbus, mit dem sie in nächster Zeit Neuseeland bereisen wollen. 

Die Segel sind endlich montiert, Volkmar springt als viertes Crewmitglied an Bord und ich löse den mutigen Seglern die Leinen, verbunden mit gesegneten Wünschen für eine sichere Überfahrt nach Tonga.
Mit klopfendem Herzen verfolge ich auf den Tagesberichten die strenge Zeit der Mannschaft. Ich selber plane für mich die nächsten 10 Tage, bevor ich das Flugzeug nach Tonga besteige. Die erste Zeit geniesse ich un der Gegend um Whangarei mit Freunden. Dann fahre ich nach Auckland. Das lauschige Stadtgebiet Parnell ist eine Entdeckung wert. Ich bin glücklich über die gute Zeit mit mir und freue mich nun auf das nächste Abenteuer - die Inselwelt von Tonga. 

Seid alle herzlichst gegrüsst
Evelyne und Christian 

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    Neuseeland I

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    Endlich schicken wir ein Lebenszeichen von uns - vom anderen Ende der Welt - aus Neuseeland. Es geht uns wunderbar. Wir haben eine zweimonatige Landreise hinter uns, die wir dir in zwei Teilen berichten werden.

    Folgenden Abschnitt zitiere ich aus unserem Reiseführer:
    "Neuseeland, ein Land mit zwei Inseln, voller zerklüfteter Küsten, urzeitlicher Wälder, schneebedeckter Hochgebirge, gletschergespeister Seen, Geysire und Vulkane. Inmitten dieser atemberaubenden Landschaften existiert eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt, die sich einer für lange Zeit ungestörten Entwicklung verdankt.
    Von diesem Hintergrund ist die schier grenzenlose Vielfalt an Aktivitäten wenig überraschend: vom stimmungsvollen Bummel am windgepeitschten Strand über mehrtägige Wanderungen bis zu Adrenalin fördernden Unternehmungen wie Bungy-Jumping, Skifahren und Seekajak- oder Wildwasserfahrten.
    Die verschiedenen Reiseziele sind relativ leicht erreichbar, da die gesamte Landmasse nur geringfügig grösser ist als Grossbritannien. Das Land hat lediglich 4,3 Mio. Einwohner, von denen mehr als die Hälfte in den drei grossen Städten Auckland, Wellington und Christchurch lebt."
    Das tönt doch viel versprechend, nicht? Also los!

    Unser "Truckli", ein 28-jähriger Toyota Hiace, irgendwann von irgendjemandem liebevoll zum Campervan umgebaut, ist gepackt. Wir können damit (hoffentlich pannenlos) fahren, darin wohnen, kochen, abwaschen, schlafen und Toilette machen. Wir sind somit self-contained, was heisst, dass wir unser Abwasser in einem Tank auffangen und für die Umwelt keine Belastung sind. Wir müssen also nicht jede Nacht einen Campingplatz aufsuchen. Wir dürfen irgendwo frei in der Natur übernachten, wenn nicht ein Schild "Camping verboten" angebracht ist.
    Wir starten den Motor am 13. Februar. Christian ist der Chauffeur und fährt unser vollbeladenes Truckli mit Steuerradschaltung ohne Servolenkung souverän. Neuseeland ist ein Land für Camper. Das Strassennetz ist sehr gut ausgebaut, die Strassen sind breit und bei Passstrassen gibt es alle paar Kilometer eine Überholspur. Das beruhigt uns sehr, denn Truckli schleppt sich nur ganz mühsam Steigungen hoch, während Talfahrten ganz rassig scheppern.
    Whangarei, unser Startort, liegt an der Ostküste der Nordinsel. Unterwegs Richtung Süden passieren wir Auckland, dessen Besichtigung wir uns aber gegen Abschluss der Reise aufsparen. Schon bald durchfahren wir Naturland, Wiesen, Felder und Wälder, die uns an die Schweiz erinnern. Gegen Abend suchen wir einen Übernachtungsplatz auf und machen die ersten Erfahrungen mit dem Campingleben.

    Es schläft sich ganz gut in unserem Häuschen und die Nacht war von der Temperatur her angenehm. Also packen wir nach einem kräftigen Frühstück unsere sieben Sachen zusammen und weiter geht es. So gestalten sich die Tage der nächsten Wochen etwa in folgendem Rhythmus: aufstehen, frühstücken, Weiterfahrt bis zu einer Sehenswürdigkeit oder einem Wandergebiet und dazwischen natürlich öfters mal eine Pause für Blasenentleerung oder Kaffeetrinken.
    Die Kaffeekultur Neuseelands entspricht übrigens ganz unserem Gusto. Es gibt viele einladende Cafés, die vom Espresso über den "flachen Weissen" bis zum Latte Macchiato mit Soyamilch servieren. 
    Und gegen Abend quartieren wir uns in der neuen Übernachtungsstelle ein. Im weiteren Text versuche ich nun, die Höhepunkte unserer Reise heraus zu picken und dabei ein paar Informationen über Neuseeland einzuflechten.

    Wir wollen auf der Nordinsel der Westküste entlang nach Süden reisen.
    In Otorohanga besuchen wir einen Vogelpark. Neben einem grossen Aussengehege, das fast alle in Neuseeland heimischen Vogelarten beherbergt, bestaunen wir in einem Kiwi-Nachthaus den menschenscheuen Laufvogel. Dieser braune, flugunfähige, aber muskulöse Kiwi ist das Nationalsymbol Neuseelands. Es gibt nur noch knapp 70'000 Exemplare dieses Vogels und die Zahl der wild lebenden Tiere sinkt weiter. Hunde, Possums, Ratten und Wiesel sind ihre grössten Feinde. Sie fressen auch die Eier der Kiwis.
    Es ist fast unmöglich, einen Kiwi in der freien Natur anzutreffen, da diese Vögel nachtaktiv sind und ungefähr 20 Stunden pro Tag schlafen, wodurch sich die durchschnittliche Lebenserwartung von 20 bis 25 Jahren erklärt.
    Im Naturparadies rund um den Rotokare Lake haben vor Jahren freiwillige Helfer einen 8km langen Zaun angelegt, der einen guten Meter tief in den Boden reicht und etwa 4m hoch ist. Sie wollten damit ein Schutzgebiet für die Kiwis schaffen. Der Spaziergang rund um den See ist sehr idyllisch, das Vogelgezwitscher so fröhlich und die frische Luft durch Feld und Wald tankt Brust und Herz mit neuer Energie voll.

    Unvergesslich bleiben uns die Waitomo Caves. Waitomo heisst "Schacht, durch den Wasser eintritt". Es sind Höhlen mit grandiosen Karstformationen. Der bis heute noch andauernde Prozess der Höhlenbildung geht auf das Zusammenspiel von Regenwasser und Kohlendioxyd aus der Luft zurück, die zusammen eine schwache Säure bilden. Je mehr Kohlendioxyd vom Boden absorbiert wird, desto konzentrierter wird die Säure, die den Kalkstein schliesslich zerfrisst und damit Risse und Fugen vergrössert. Im weiteren Verlauf dieses Prozesses bilden sich ganze Höhlen heraus, wie sie heute zu sehen sind. Ein Führer begleitet uns mit seiner begeisternden Art auf befestigten Wegen durch eine dieser Höhlen. Wir bestaunen die interessantesten Formationen von Stalaktiten und Stalagmiten. Dann steigen wir in der Dunkelheit in ein Holzboot. An Drähten, die quer durch die Höhle von Wand zu Wand gespannt sind, lenkt der Führer das Boot mit seinen Händen geschickt durch die letzte grosse Höhle. In absoluter Stille gleiten wir auf dem Fluss. Die Decke ist erleuchtet von abertausenden von Glühwürmchen. Es ist ein märchenhaftes Bild, das wir staunend als kleines Naturwunder auf uns wirken lassen. Das Tageslicht am Höhlentor zerstört den kurzen Traum.

    Ein neuer Tag, ein neues Erlebnis. In der Nähe von Turangi besuchen wir die Tokaanu Thermal Pools. Da gibt es ein öffentliches Thermalbad und ein paar kleine Privatbecken. Wir gönnen uns eine wohltuende Entspannung und schmachten für 20 Minuten in 42 bis 45 Grad. Das Wasser stinkt sehr nach Schwefel und weist eine etwas gewöhnungsbedürftige undurchsichtig grünbraune Farbe auf. Darin schweben schwarze Fäden, die wie Asche aussehen und auf der Haut kleben bleiben. 
    Danach schreiten wir den Pfad ab, der im Gebiet hinter der Badeanlage angelegt ist. Aus kleinen und grösseren Erdlöchern dampft es, an anderen Stellen blubbert eine graue Schlammmasse. Kleine Flüsschen schlängeln sich dem Weg entlang. Eine Probe mit dem Zeigefinger lässt uns erahnen, wie heiss es in den Wasserlöchern sein muss, in denen das Wasser so glasklar ist, dass wir bis ein paar Meter tief alles genau erkennen können. Diese heissen Quellen sind für uns ein weiteres Naturphänomen, dem wir beide zum ersten Mal begegnet sind.
    Rund um Whakapapa, im südlicheren Teil der Nordinsel, eröffnet sich uns eine neue Landschaft. Wir befahren weite mit Gras bewachsende Ebenen, im Hintergrund sehen wir die noch mit kleinen Schneeflecken bedeckten Hänge des Vulkans Ruapehu, die im Winter das Skigebiet bilden. Im Sommer wird dieses Gebiet mit grosser Beliebtheit für Wanderungen genutzt.
    Wir haben grosse Lust auf Bewegung. Innerhalb von 6 Stunden wandern wir zum unteren und oberen Tamasee, zwei Vulkanseen. Die Landschaft ist karg, es wachsen nur Grasbüschel, die Sonne brennt vom Himmel und wir bemerken, dass unsere Beine immer schwerer werden. Uns fehlt unbestritten das Training. Nicht nur unsere Füsse, auch Christians Wanderschuhe sind nicht mehr die jüngsten. Die Sohlen lösen sich mehr und mehr vom Schuh und fallen ein paar hundert Meter vor der Rückkehr zum Truckli definitiv ab. Zu unserem Erstaunen liegt auf dem Parkplatz ein Paar Wanderschuhe. Jemand muss es nach der Wanderung vergessen haben. Nur leider stimmt die Grösse nicht ...

    Wir sind sehr überrascht, wie gut ausgebaut und gepflegt alle Wanderwege in ganz Neuseeland sind. Da gibt es Holztreppen, um Höhenunterschiede zu überwinden. Falls das Gebiet etwas sumpfig sein könnte, sind Holzstege angelegt. Die Pfade sind oft so breit, dass wir nebeneinander gehen können. Bei Ausgangspunkten oder Sehenswürdigkeiten gibt es auch immer Toiletten, die meistens sauber und mit fliessend Wasser und Seife ausgestattet sind. Neuseeland ist in dieser Beziehung ein wirklich touristenfreundliches Land.
    Was die Preise für Aktivitäten, Touren oder Besichtigungen anbelangt, treffen wir auf das pure Gegenteil. Da hätten wir doch für manchen Tag schnell mal gute Fr. 500.- ausgeben können. Oft haben wir uns gefragt, wie das eine Familie macht, die mit ihren zwei oder drei Kindern auf Urlaub ist.
    Mit etwas Zeit und Geduld, sich in den Führer einzulesen, haben wir dann festgestellt, dass wir Seelöwen, Pinguine oder besondere Vogelarten an diversen Orten in freier Natur beobachten können, ohne dafür "Eintritt" zu bezahlen, was wir dann auch getan haben.

    Wir kommen gut voran, immer weiter Richtung Süden. In Stratford besuchen wir Audrey, die Schwester einer neuseeländischen Segelfreundin mit Schweizer Partner. Die offene Gastfreundschaft bringt uns recht ins Staunen. Als wir uns telefonisch anmelden, meint Audrey, dass sie leider weggehen müsse, doch sie lasse das Haus einfach offen stehen. Wir sollen durch den Garten reinkommen und Bad, Küche oder Waschmaschine benutzen. Wir würden uns spätestens am nächsten Morgen sehen. Und wohlverstanden, wir haben einander noch nie gesehen!
    So parken wir Truckli auf dem Vorplatz des Hauses und machen es uns bequem. Vom Angebot der Waschmaschine machen wir gerne Gebrauch, doch Nachtessen kochen wir im Auto. Am folgenden Morgen erst lernen wir Audrey kennen. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann und ein paar Angestellten eine Milchfarm mit über 1000 Kühen. Einmal wollen wir beim Melken dabei sein. Das ist nämlich ein interessantes Prozedere. Als hätten die Kühe eine innere Uhr, pilgern sie zweimal täglich von der Weide zur Farm, wo sie gemolken werden. Man stelle sich eine Art Karussell vor. Eine Kuh nach der anderen zwängt sich in ein enges Gatter auf einer runden Bühne, die sich ganz langsam um die eigene Achse dreht. Von hinten wird den Kühen die Melkmaschine angesetzt. Und während sich das Rondell einmal dreht, wird die Kuh gemolken. Danach geht sie rückwärts von der Plattform runter und wandert zurück auf die Wiese.
    Während wir diesem Ablauf mit fragenden Augen zuschauen, wird mir doch mir nichts dir nichts eine bodenlange Plastikschürze umgebunden und ich werde zur rechten Hand des Obermelkers erkoren. Uff! Ich hätte glatt anheuern können.
    Es stimmt uns nachdenklich, wenn wir sehen, wie die Kühe zu richtigen Produktionsmaschinen herangezogen werden. Die Tiere leben wohl den ganzen Tag frei auf der Weide. Manchmal sind diese satt grün, manchmal eher karg und trocken. Doch die Wiesen sind überdüngt und die enormen Mengen Kuhmist verseuchen die Seen und Flüsse, zunehmend auch das Grundwasser. Auch die Luftverschmutzung der Kühe durch den Methanausstoss der Atmung und das Wiederkäuen ist nicht aufzuhalten.
    Der Markt mit Pulvermilch nach China boomt. Der Einheimische riecht das Geld. Es werden immer mehr Wälder abgeholzt und zu Weideland gemacht. Da nützt Schönreden nichts mehr. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten wird Neuseeland mit einem riesigen Umweltproblem konfrontiert sein.

    Die pulsierende, kosmopolitische Hauptstadt Neuseelands, Wellington, liegt im Süden der Nordinsel und beherbergt rund 450'000 Einwohner. Rund um den Hafen gibt es eine lebendige Uferzone mit Cafés, Brauereien oder restaurierten Lagerhäusern, aus denen Restaurants geworden sind. Gewöhnliche Container sind zu kleinen Läden umgebaut. Es ist Samstag, Markttag. Die Einheimischen bieten ihre selbst gebackenen Kuchen, Brote und Konfitüren oder ihre Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten an. Daneben gibt es Stände mit Käse oder frisch gepressten Säften. Im umgebauten Kastenwagen holen wir uns einen feinen Kaffee, setzen uns vor einem Strassenmusiker auf die Bank und amüsieren uns köstlich über seine gebastelten Instrumente, mit welchen er einen mitreissenden Sound über den Markt verbreitet. Mit der warmen Sonne im Gesicht geniessen wir das bunte Treiben. Es ist eine herrliche, energiegeladene Stimmung. Die Menschen sind fröhlich und kommunizieren angeregt miteinander. 
    Die Innenstadt ist durchmischt mit historischen und modernen Bauten. Wohnhäuser oder viktorianische Schindelvillen ziehen sich die steilen Hänge bis zum umliegenden Waldgürtel hoch. Dieser bildet die natürliche Barriere gegen eine weitere Bebauung. Viele Häuser sind nur durch steile Treppen erreichbar. In der uralten Standseilbahn lassen wir uns den Berg hoch rattern und schlängeln uns zu Fuss durch den botanischen Garten zurück in die Stadt.
    Für das hochinteressante Nationalmuseum Te Papa reservieren wir uns einen ganzen Tag. Die Hauptausstellung ist die hervorragende Maori-Abteilung. Sie zeigt ureigenste Kunst und Themen zu Land, Leute, Geschichte, Handel und Kultur. Der eine Stock des Museums ist der nationalen Kunstsammlung vorenthalten. Da gibt es wechselnde Ausstellungen von Gemälden und Skulpturen von neuseeländischen Künstlern aus Vergangenheit und Gegenwart. Wir haben unverhofft das Vergnügen, einem kleinen Konzert mit angehenden Musikern des Konservatoriums von Wellington beizuwohnen.
    Auf einer anderen Gebäudeebene erfahren wir, wie die Ureinwohner die Naturgewalten erklären und erleben ein täuschend echtes Erdbeben in einem Haus. Leider sind viele andere interaktive Ausstellungen gerade in Revision. Doch es gibt in den "Discovery-Zonen" noch genügend Stoff zum Anschauen. 

    Mit der Autofähre lassen wir uns auf die Südinsel übersetzen. Kurz nach dem Ablegen begegnen wir einer riesigen Schule wild springender Delphine. Nach angenehmen drei Stunden auf dem Wasser geht unsere Reise Richtung Nelson weiter. Wir sind froh, kurz vor einer Stadt zu sein, denn die Schaltung von unserem Truckli beginnt zu klemmen. Wir brauchen dringend eine Werkstatt. Was zuerst dramatisch aussah, entpuppt sich zu einem kleinen Problem. Der Mechaniker kann einen neuen Kupplungshydraulikzylinder einsetzen und unser inzwischen lieb gewonnenes Auto ist wieder fahrtüchtig. 

    In Nelsen besuchen wir unsere Freunde Ingrid und Greg, die wir letztes Jahr in Aitutaki kennen gelernt haben und eine herzliche Freundschaft haben aufbauen können. Den einen Tag sind wir gemeinsam unterwegs, schauen herzige Hafenstädtchen an und degustieren neuseeländischen Wein auf drei verschiedenen Weingütern. Anderntags führt uns Greg in sein Hobby ein, Forellenfischen im Fluss. Greg und Ingrid heuern bei Christian an, mit ihm von Neuseeland nach Tonga zu segeln. Wunderbar! Ohne gross suchen zu müssen, die Crew steht. 

    Im Norden von Nelson liegt der wunderschöne Nationalpark von Abel Tasman mit idyllisch goldenen Sandstränden, mit kristallklarem Wasser und üppig grünem und dichtem Buschland. Wir stehen bei strahlendem Sonnenschein morgens früh am Strand bereit, werden von einer Fähre aufgeladen und an den Ausgangsort unserer Wanderung gebracht. Gute drei Stunden dauert unser Streifzug durch die abwechslungsreiche Küstenlandschaft, bis wir die kleine Lodge am obersten Ende des Parks erreichen. Ein feines Mittagessen und das Nickerchen auf der Bank stärken uns. Die Zeit verstreicht schnell, schauen wir, dass wir die letzte Fähre erreichen, die uns zurück nach Kaiteriteri bringt.

    Gierig nach Gold machen wir uns auf zum Abenteuer- und Geschichtspark am Bullers River. Mit Instruktionen im Kopf und der speziellen Pfanne in der Hand überqueren wir in luftiger Höhe die 110m lange und zugleich längste Hängebrücke Neuseelands, steigen zum Fluss hinunter und versuchen unser Glück. Doch der Traum wird zum Alptraum. Tausende von kleinen Sandfliegen rasen nicht nur um uns herum, sondern sie setzen sich überall auf unserem Körper fest, stechen uns oder fressen sogar ein kleines Stückchen Fleisch weg. Überall juckt es. Während ich mit meinem Schal heftig wedle, versucht Christian das Wasser zu sieben. Doch es ist rein unmöglich, sich diese Viecher vom Leib zu halten und so ist dieses Schauspiel ziemlich schnell wieder beendet. 

    Die Wetterprognose für den nächsten Tag ist schlecht. Wir beschliessen, in Maruia Springs, einem friedlichen Kurort, ein Zimmer zu buchen. Da gibt es einen Bäderkomplex mit separaten Männer- oder Frauenbadehäusern im japanischen Stil, Einzelbadehäuser und Pools unter freiem Himmel. Je nach Mineralgehalt ist das Wasser schwarz bis milchig weiss. Und wir lassen es uns gut gehen. Am nächsten Tag lacht schon wieder die Sonne, doch es ist kühl.

    Christchurch, die grösste Stadt der Südinsel und Hauptstadt der Region Canterbury, ist nicht mehr das, was sie mal war. Das Erdbeben vom 22. Februar 2011 hat die ehemals vornehme Atmosphäre der Stadt mit ihren 350'000 Einwohnern zu einer Geisterstadt gemacht. Über 10'000 Gebäude wurden dabei so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten, darunter mehrere hundert im Stadtzentrum. Noch immer sind die Menschen mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Manche Gegenden der Stadt können wegen Bodenabsenkungen nie mehr aufgebaut werden, denn bei dem Erdbeben wurde der Boden zu winzigen Körnchen ohne Tragkraft zermahlen. Auffallend sind immer wieder Strassenabsenkungen bis zu fast einem Meter. Viele Geschäfte und Restaurants sind weg. Ein Wiederaufbau könnte bis zu 15 Jahre dauern. Mehr als 80'000 Einwohner sind weggezogen aus Angst, dass sich ein neues Erdbeben ereignen könnte. Es ist ein trübes Bild, das sich uns bei der Durchfahrt bietet.

    In Rollerston, einem Vorort von Christchurch, lernen wir Volkmar und seine Familie kennen. Volkmar, ein Deutscher, seit 15 Jahren in NZ wohnhaft, hat uns beim Kauf unseres Campers sehr unterstützt. Gerne zeigt er uns seine Firma Euro Campers, auf welche er wirklich sehr stolz sein darf. Den Abend verbringen wir in seinem wohnlichen Haus in gemütlicher Runde mit interessanten Gesprächen und werden dazu mit der besten Pizza aus dem Holzofen und feinstem Wein verwöhnt. Während die Frauen anderntags durch den Markt schlendern, versuchen die Männer ihr Glück beim Lachs fischen. Leider bleibt es beim Versuch.

    Die grossen, grauen Moeraki-Boulders sind ein weiteres Highlight auf unserer Reise. Die oft fast bis zu 2m Durchmesser aufweisenden runden Felsen liegen teilweise versunken an der Gezeitenlinie im Sand. Unter der glatten Oberfläche verbirgt sich ein wabenförmig ausgehölter Kern, der bei einigen zerbrochenen Steinen gut zu sehen ist. Die Felsen ruhten einst tief in den Schieferklippen an Land. Während die Brandung die Klippen auswusch, fielen die glatten Steinkugeln heraus und bildeten als Folge weiterer Erosion ihre auffällige, aderige Oberfläche heraus. Dieser ganze Prozess begann vor über 60 Mio. Jahren, als sich schlammige Sedimente mit Muschel- und Pflanzenresten auf dem Meeresboden anlagerten.

    Vom Hafen der Stadt Queenstown aus haben wir einen traumhaften Blick über den Wakatipu See bis zu den zerklüfteten Berggipfeln der Remarkables Bergkette. Es wimmelt von jungen Menschen, die Nervenkitzel pur suchen. Queenstown ist die Hochburg der Sportler. All die Abenteueraktivitäten von Swinging und Bungy-Jumping, Canyonning im Neoprenanzug, Rafting oder River-Sledging bis zu den wildesten Jetboot-Fahrten auf den Flüssen lässt sich alles hier buchen. Aber uns Alten, inzwischen ist ja Christian auch 50 geworden, lockt keines der Angebote und wir verdrücken uns in eine Dachbar mit ohrenbetäubender Musik zum Sundowner.

    Als letztes Erlebnis in diesem Blog möchte ich dir von der Begegnung mit dem Schweizer Thomas Schneider erzählen. Er ist ein Freund aus alten Zeiten von Kathrin, Christians Schwester.
    Sumpfi, so sein Übernahme, ist vor gut 20 Jahren nach Neuseeland ausgewandert und hat sich am Wakatipu See ein Stück Land gekauft. Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist hier ein exzentrisches, alternatives und idyllisches Gästehaus entstanden. Es ist unvorstellbar, aber alles, wirklich alles, ist von Thomas selber kreiert, aufgebaut, hergestellt, ausstaffiert und dekoriert. Sogar die Holzmöbel, die gewobenen Wandteppiche, Bilder, Dekorationen, die Tierfelle und alle Blumenarrangements stammen aus Eigenproduktion. Die Spüle der Toilette zum Beispiel funktioniert über ein Aquarium mit Fischen, die Badewanne ist aus kleinen Steinen vom Strand gemauert, der Wanne entlang spriessen lebende Farne. Der Wasserhahn ist aus Holz geschnitzt und die Seifenschale aus Muscheln geklebt. Und das ist nur ein kleines Detail vom Badezimmer. Ich kann gar nicht alles schildern, ich wäre in drei Tagen nicht fertig, die abertausenden von liebevollen Details im und um das Haus zu beschreiben.  
    Thomas freut sich sehr über den Besuch aus der Heimat und verbringt viel Zeit mit uns. In langen Gesprächen erfahren wir, warum er nicht mehr glücklich ist und gegen Neuseeland eine Hassliebe entwickelt hat. Er gibt uns Hintergrundinformationen, die der „normale“ Tourist nicht zu hören bekommt. Sumpfi nimmt kein Blatt vor den Mund und berichtet über drastische Umweltprobleme, die nicht bei der Wurzel gepackt werden. Er berichtet über Gifte, die gestreut werden, die in Europa schon lange verboten sind. Und er wehrt sich und wehrt sich, doch es fruchtet nicht. Und das macht ihm grosse Sorgen.

    Wir versuchen, Thomas darauf hinzuweisen, dass in seinem Paradies die Welt noch in Ordnung ist. Da schwimmen die glücklichsten Forellen im Teich, die Enten watscheln durch den Garten, die Vögel zwitschern laut ihr Lied und die Schmetterlinge und Bienen werden nicht müde, von Blüte zu Blüte zu tanzen. Somit ist dieses kleine Reich doch ein Geschenk für die ganze Welt.
    Hier der Link: www.littleparadise.co.nz


    Nun, das war der erste Teil unseres NZ-Berichtes. Der zweite Teil ist in Arbeit.

    Herzlichst Evelyne und Christian

     

     

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      West-Kanada

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      Es gibt eine Zeit zum Reisen und es gibt eine Zeit, inne zu halten.
      Es gibt eine Zeit zum Lachen und es gibt eine Zeit zum Weinen.
      Es gibt eine Zeit zum Umarmen und es gibt eine Zeit, die Umarmung zu lösen.
      Es gibt eine Zeit zum Schreiben und es gibt eine Zeit zum Lesen....

       

      Heute ist Mein Tag zum Schreiben, vielleicht Dein Tag zum Lesen. 
      Ich sitze in Schwarzenberg in der Natur. Die umliegenden Berggipfel sind von einem Hauch Schnee bedeckt, der tiefblaue Himmel gibt dazu einen kräftigen Kontrast. Die Bäume zeigen ihr herbstliches Farbenspiel. Es ist Mitte Oktober und ich spüre immer noch die Kraft der Sonne auf meinen Backen.
      Seit Mitte September sind wir auf Heimaturlaub und geniessen die Zeit mit unseren Familien und Freunden sehr. 

      Gerne erinnern wir uns an die 5 Wochen, in welchen wir den Westen Kanadas mit einem Van bereist haben. Lass mich dir über ein paar Höhepunkte berichten.

      Mitte August treffen wir in Vancouver ein. Melanie und Michael empfangen uns freudig am Flughafen und lotsen uns mit dem Skytrain direkt zu unserem Hotel. Endlich sehen wir die Kinder ''zufällig'' wieder und können einen Tag miteinander verbringen, bevor sich die beiden nach Sprachaufenthalt und Ferien von Vancouver wieder verabschieden müssen.
      So zeigen uns die privaten Reiseführer die wunderschöne, lebensfrohe und überaus saubere Grossstadt. Wir sehen die bekannte, dampfbetriebene englische Uhr in der Altstadt, bestaunen die prächtige Hafenanlage, schlendern durch viele Einkaufsstrassen, stärken uns zwischendurch mit feinstem Kaffee und kleinen Naschereien und sind beeindruckt von der Sauberkeit der Stadt. Alles hier ist so perfekt, wir werden richtig überrumpelt. Von unseren letzten Aufenthaltsorten sind wir uns anderes gewohnt. Schon lange fühlten wir uns nicht mehr so verwöhnt.
      Das grosse Naherholungsgebiet am Stadtrand, den Stanley Park, entdecken wir per Velo. Im mit Seerosen und Hyazinthen bedeckten Teich wohnen Fische und Schildkröten, Libellen tanzen summend um die farbigen Blüten und unter der Brücke versteckt sich die Waschbärenfamilie. Den eindrücklichen Tag beschliessen wir mit einem leckeren Schmaus  in einem Fischrestaurant am Wasser.

      Am zweiten Tag geben uns der mit Blumen übersäte Queen Elisabeth Park, der auf einer Anhöhe liegt und das Drehrestaurant des Hotels Landmark einen Eindruck über die gewaltige Fläche der Stadt. Wir bewundern einmal mehr das gelungene Stadtbild. Die Architektur, die Grünflächen und die Aussenbezirke sind zwischen dem Meer und den umliegenden Bergen harmonisch eingebettet. Vancouver erobert unser Herz.

      Ab heute sind wir Vollblutcamper. Den Van in Empfang genommen und Esswaren und Getränke gebunkert, fahren wir auf den ersten Übernachtungsplatz. Da machen wir uns zuerst einmal vertraut mit unserem neuen Zuhause, richten uns gemütlich ein und kochen das erste Nachtessen. Das geht ja alles recht gut. Auch die erste Nacht im kurzen Bett schläft sich wider Erwarten ganz bequem.
      Nach der warmen Freiluftdusche am nächsten Morgen fahren wir los. Unser Ziel ist Victoria, die Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia auf Vancouver Island. Die riesige Fähre kurvt zwischen vielen Inselchen durch enge Fjorde. Das Wetter ist strahlend schön, was diese Fahrt zu einem Höhepunkt werden lässt. Im altehrwürdigen Fairmont Hotel in Victoria schlemmen wir den weltbekannten Afternoon Tea nach englischer Tradition. Das Nachtessen lassen wir für heute gut sein.

      Vancouver Island lädt uns zum ersten Spaziergang durch einen Douglasien- und Zedernwald ein. Die Bäume weisen einen beeindruckenden Umfang und eine riesige Höhe auf. Sie sind zwischen 400 und 600 Jahre alt. Die Energie und die Kraft dieser Baumriesen ist gewaltig, ebenso ihre Geschichte, die sie zu erzählen haben. Wie wunderbar spüren wir nach einer so langen Zeit auf dem Wasser das Element Holz. Wir können uns wieder mal so richtig erden. Unsere Lungen tanken sich mit der sauerstoffreichen Luft auf. Diese ist feucht schwer und riecht nach Moor, Moos und frischem Harz, einfach herrlich!
      Wann immer wir auf unserer Reise die Gelegenheit haben, schlüpfen wir in unsere Wanderschuhe und streifen auf den überall sehr gut bezeichneten Wanderwegen durch einen winzig kleinen Teil der immens grossen Waldfläche Kanadas.

      In Tofino, einem romantischen Städtchen an der Küste, hören wir auf einem Strandspaziergang zum ersten Mal die Wellen des Pazifik rauschen. Wir hoffen doch, dass uns dieses Weltmeer nächstes Jahr ebenso gut gesinnt ist wie es dieses Reisejahr der Atlantik war. Zum Meeresgott Poseidon habe ich auf jeden Fall schon mal Kontakt aufgenommen.

      Ein weiteres Highlight erwartet uns hier in Tofino. In wasserfester Vollmontur besteigen wir ein Zodiac, ein motorenstarkes Schlauchboot und flitzen über die fast spiegelglatte See zum ersten Tummelplatz der Grauwale. So langsam vertreibt die immer kräftiger werdende Sonne die letzten Nebelschwaden, und schon bald entdecken wir die unglaublich grossen Meeressäuger. Wir sehen sie nicht nur, wir riechen sie auch. Denn nachdem Grauwale einige Minuten am Grund gefressen haben, kommen sie an die Wasseroberfläche zurück und stossen ihren lang angehaltenen Atem aus. Und ich versichere dir, dieser zäh in der Luft hängende Geruch entgeht keiner Nase. 
      Unser Kapitän bekommt per Funk einen Hinweis und steuert unser Schiff Richtung offenes Meer. Hier sollen sich Buckelwale aufhalten. Nur etwa 150 Meter von uns entfernt schiesst plötzlich ein Riesenkoloss aus dem Wasser und platscht mit voller Kraft seitlich zurück ins tiefe Meer. Und dieses Schauspiel wiederholt sich noch zweimal. Uns bleibt nur das grosse Staunen. 

      Vancouver Island erleben wir als wunderschönes Reisegebiet mit sehr freundlichen Menschen. Doch die Zeit drängt, wieder die Fähre aufs Festland zu nehmen, denn wir möchten auf unserer Reise noch mehr Gebiete von British Columbia, die Provinz Alberta, einige Nationalparks und die Rocky Mountains erkunden.
      Wir teilen unsere Zeit, die wir Richtung Norden fahren so ein, dass wir täglich eine gewisse Wegstrecke zurück legen, uns aber immer auch für einige Stunden in der Natur aufhalten. Je höher wir in die Berge kommen, umso mehr konzentrieren sich unsere Wanderungen hin zu Wasserfällen. Die Natur bietet uns ein gewaltiges Schauspiel. Der eine Wasserfall hat sich in den letzten Millionen Jahren so tief ins Gestein genagt, dass das Wasser gute 100 Meter in die Tiefe stürzt. Ein anderer demonstriert seine Wucht damit, dass er Gletschermühlen hinterlässt, der nächste donnert mit voller Kraft durch einen engen Canyon und reisst die grössten Baumstämme mit. Wege und Brücken bringen den Besucher so nahe zum Gefälle, dass die Energie der tosenden Wassermassen deutlich zu spüren ist.

      Die Infrastruktur in Kanada für ''fahrende'' Touristen ist hervorragend. Es gibt jede Menge staatliche oder private Campingplätze, die für $17 bis $40 einen meist grosszügigen Platz anbieten. Je nach Preisklasse erhält man frisches Wasser, Strom, Abwasseranschluss und Holz für das Grillfeuer. 
      Unser Van hat den grossen Vorteil, dass er klein und wendig ist. Wenn immer möglich nutzen wir die Gelegenheit, erkunden eine offene Waldstrasse und haben doch einige Male das Glück, einen einsamen Übernachtungsplatz in einer Lichtung oder am Fluss in der Wildnis zu finden. Leider will uns nie ein Bär besuchen. Einen solchen sehen wir jedoch ganz unverhofft morgens auf einer Fahrt. Er knabbert gemütlich an den Sträuchern am Waldrand nahe der Strasse. 
      Wenn immer es einen Stau gibt auf Kanadas Strassen kommt er von den Touristen, die Bären, Hirsche oder Rehe fotografieren, die auf der Wiese neben der Strasse äsen. 
      In Banff zum Beispiel schwimmt ein Reh vom gegenüberliegenden Flussufer gerade auf uns zu, steigt an Land und frisst die Beeren von den Sträuchern, nur zwei Meter von uns entfernt. Die Wildtiere sind sich anscheinend an uns Menschen gewohnt. 

      Wer verbindet Kanada nicht mit Lachs! Laut Reiseführer sind wir genau zur richtigen Zeit im Land, in welcher die Lachse auf ihrem Weg zur Quelle schwimmen, um an ihrem Geburtsort zu laichen und danach zu sterben. Wir besuchen einige Orte mit Stromschnellen, bei welchen man anscheinend die Lachse während ihrem Aufstieg beobachten kann. Zu unserer Enttäuschung sehen wir keinen einzigen Lachs springen. Was wir aber mit grossem Interesse beobachten sind Fischer, denen es vom Staat erlaubt wird, Lachse zum eigenen Gebrauch mit Netzen zu fangen. Es sind Menschen indianischer Abstammung, die für ein paar Tage am Fluss ihr Wohnmobil aufstellen und mit dem Lachsfang ihren Nahrungsvorrat fürs kommende Jahr aufbessern. Die frischen Fische werden sofort ausgenommen, speziell eingeschnitten, leicht gesalzen und an der Luft getrocknet. So sind sie über ein Jahr lang haltbar. Und wie fein schmeckt nicht nur dieser Leckerbissen, sondern auch der frische Lachs oder die ''Chnebeli'', die mit Ahornsirup getrocknet sind. Wir lassen es uns kulinarisch gut gehen. 

      Immer wieder auf der ganzen Reise durch Kanada entdecken wir Streifenhörnchen. Diese munteren Tiere sind viel kleiner als unsere einheimischen Eichhörnchen, aber dreimal flinker. Jede Begegnung mit einem solchen Nagetier wird zum lustigsten Ereignis. Wir müssen einfach zuschauen. Die Hörnchen wirken völlig nervös. Sie können sich gar nicht langsam bewegen. Die springen von einer Position in die andere, pfeifen dabei fast wie ein Vogel, knabbern in einem Höllentempo mit ihren Nagezähnen einen frischen Tannenzapfen ab, hüpfen wieder zu einem Wurzelloch und vergraben einen Vorrat, wühlen im Boden nach alten Schätzen und schon rattern sie über viele Äste zum nächsten Leckerbissen. 
      Einmal beobachten wir ein Streifenhörnchen, das einen Pilz, der auf dem Waldboden liegt und dreimal grösser ist als es selber, in ein Versteck schleppen will....
      Wenn du den Film Ice Age kennst, kannst du dir eine solche Szene noch viel besser vorstellen. 

      Wir befinden uns inzwischen auf ungefähr 1500 Metern Höhe am Rand der Rocky Mountains, im Gebiet der vielen, kleinen Seen. Sie zeigen die unterschiedlichsten und kräftigsten blau-grün-türkis Töne, die anscheinend dadurch entstehen, dass sich im Wasser der Gletscher Mineralien ausschwemmen. 
      In der einen Nacht schneit es bis auf 2000 Meter, das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Wie froh sind wir um die Heizung, die uns nachts im Van die nötige Wärme spendet. Zum Glück macht unser Durchlauferhitzer warmes Wasser für die morgendliche Dusche im Freien....
      Die Wanderung anderntags führt uns in den Schnee. Es ist bitterkalt. Heute haben wir  Schichtenlook, das heisst, wir tragen all unsere warmen Kleider übereinander. Doch es ist herrlich. Die Bergwelt strotzt vor sich hin, die Gletscher vermitteln Geschichte, sind mit einer schneeweissen Haube bedeckt, von der Sonne beschienen, nur wenige weisse Wolken hängen im tiefblauen Hintergrund. Die ganze Grösse und Weite dieses Landes lässt uns tief durchatmen und all die Naturschönheiten aufsaugen. 

      Für eine gute Woche durchfahren wir den Icefield Parkway, immer ein bisschen mehr Richtung Meer. Allmählich geht nämlich unsere Rundreise dem Ende entgegen. Die Fahrt nach Vancouver führt uns durchs sommerlich warme Okanagan Valley mit seinen üppigen Fruchtplantagen. In Kelowna besuchen wir meine Ex-Schwägerin Karin mit ihrer Familie. Sehr herzlich werden wir in ihrem wunderschönen Haus aufgenommen und zwei Tage lang nur verwöhnt. Von einem solchen Ferienabschluss hätten wir nicht zu träumen gewagt.

      In viereinhalb Wochen sind wir 3700 km gefahren und sind glücklich, dass uns das Fahrzeug heil zurückgebracht hat. Mit unvergesslichen Erlebnissen und grosser Vorfreude besteigen wir in Vancouver das Flugzeug nach Hause. 

      Inzwischen weilen wir schon fast 6 Wochen in der Heimat und geniessen den wunderschönen Altweibersommer. Wir haben unsere Familien und Freunde besucht und soviel Liebe erhalten. Ganz herzlichen Dank allen für die Gastfreundschaft. Am 2. November fliegen wir zurück nach Guatemala zu unserer Samuri.

      Evelyne

       

      Christian schreibt: 

      Einmal mehr wurde mir bewusst, wie nahe Freud und Leid beieinander liegen.

      Der obligate Check beim Hautarzt in der Schweiz hat ergeben, dass ich am Ohr ein Melanom habe. Der kleine, unscheinbare Aufbau, der sich seit einem halben Jahr gebildet hatte, war bösartiger schwarzer Hautkrebs.
      Die Diagnose war für uns anfänglich ein grosser Schreck. Unser ganzes Unternehmen kam zeitlich ins Wanken. Es war die Rede von anstehenden Untersuchungen und Therapien, die je nach Fortschritt der Krankheit Monate dauern könnten. Der Gedanke, dass unsere Reise vorzeitig unterbrochen oder gar gestoppt würde, passte so gar nicht in mein Konzept. 
      Dann verlief jedoch alles äusserst positiv und schnell, unseren Himmelshelfern und einem kompetenten Ärzteteam sei Dank! Innert Rekordzeit wurde ich operiert. Aufatmen konnten wir, als die Untersuchung der entnommenen Lymphknoten ergab, dass ich noch keine Ableger im Körper hatte. Ein paar Monate später hätte das vermutlich anders ausgesehen.
      Ich bin sehr dankbar, dass ich nochmals eine Chance bekommen habe und wir unsere Reise mit lediglich zwei Wochen Verzögerung fortsetzen dürfen.

      Die Lehren daraus? Nichts ist unendlich. Auch ich bin verletzlich. Geniesse das Jetzt, man weiss nie was morgen ist. Sonnenschutz Faktor 50 und bessere Körperbedeckung in der prallen Sonne anwenden. 

       

      In diesem Sinne freuen wir uns auf neue Erlebnisse und grüssen euch herzlich

      Evelyne & Christian

        Guatemala

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        Buenos dias, amigos!

        Unsere geplante Reise ins Hochland von Guatemala kam ganz bedenklich ins Wanken, nachdem wir die Reisebestimmungen des EDA (eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) durchgelesen haben. Darin wird vor Reisen in Touristenbussen, vor Überfällen auf offener Strasse und sogar Kidnapping gewarnt. Doch das lange und klärende Gespräch mit dem Ehepaar, das die Tortugal Marina führt und über viel Reiseerfahrung in Guatemala verfügt, liess uns unsere Pläne wieder aufnehmen.

        Am Dienstagmorgen, den 19. Juli, besteigen wir in Rio Dulce den öffentlichen Bus nach Guatemala-City. Die recht angenehme Fahrt gibt uns einen ersten Eindruck über die Landschaft. Alles ist so saftig grün und üppig überwachsen. Die Dörfer wirken durch die emsigen Leute lebendig, auch Hunde und Hühner leben auf der Strasse. Der Bus schlängelt sich über mehrere kleine Pässe, zum Teil durch enge Täler, und gewinnt immer mehr an Höhe. Seit langer Zeit müssen sich unsere Ohren wieder einmal einem neuen Höhendruck anpassen.
        Nach fünf Stunden erreichen wir Guatemala-City und lassen uns mit dem Taxi in die Zone 9 führen, in welcher unser Hotel liegt. Der grosszügige Eingang und die riesige Hotelhalle bringen uns zum Staunen. Wie viele Monate haben wir uns nicht mehr in der uns gewohnten Zivilisation aufgehalten und fast vergessen, wie schön und sauber alles sein kann. Ich komme mir gerade etwas „underdressed“ vor.

        Guatemala-City ist die grösste Stadt in Zentralamerika und hat etwa 3 Millionen Einwohner. Sie liegt auf einem Plateau auf 1‘468 m über Meer und ist allseitig umgeben von Bergen und Vulkanen. Sie ist eingeteilt in 21 „Zonas“. Den Touristen wird empfohlen, sich nur in einigen wenigen Zonen aufzuhalten und sich nachts nur mit dem Taxi zu bewegen. Gerne halten wir uns an diese Bestimmungen. Tagsüber aber fühlen wir uns absolut sicher.
        Guatemala-City wird in den Führern mit seinen historischen Gebäuden und hervorragenden Museen als lohnenswert bezeichnet. Da unsere Hauptinteressen nicht unbedingt in der Kunst liegen, können wir dieser Grossstadt gar nicht so viel Positives abgewinnen. Wir erleben die durch hunderte von Russ speienden Bussen und unzähligen Autos verursachte hohe Luftverschmutzung als sehr unangenehm. Auch diese Stadt steht wie viele Metropolen der Welt vor schier unlösbaren Problemen: Verkehrschaos, ineffiziente Verwaltung, stetig zunehmende Raubüberfälle und Morde, korrupte Polizei, schnell wachsende Slums in den Randbezirken und krasse soziale Unterschiede. Im verwahrlosten Zentrum fehlen Investitionen und infrastrukturelle Verbesserungen. Trotz einiger sehenswerten Gebäuden wird es noch lange dauern, bis „Guate“ eine liebenswerte Stadt sein wird.

        Wir nutzen die folgenden zwei Tage, um Einkäufe zu tätigen, die in den vorher bereisten Ländern unmöglich waren. Wir kaufen uns zum Beispiel richtige „Tramper-Rucksäcke“. Ja, jetzt gehören wir auch dazu! Ich wage es sogar, mir in einem Coiffeursalon die Haare schneiden zu lassen. Die sind nämlich definitiv zu lang und geben viel zu heiss. Ich bin froh, ich gefalle Christian immer noch.

        Voll bepackt und wunderbar gesättigt durch das reichhaltige Frühstücksbuffet steigen wir am Morgen des 21. Juli in einen Touristenbus nach Panajachel. Es geht für vier Stunden bergauf und bergab. Stellenweise sind die Strassen in sehr gutem Zustand, dann kommt eine Passage, auf welcher die Chauffeure riesigen Löchern ausweichen müssen, manchmal bis auf die gegenüberliegende Fahrbahn. Doch der Verkehr läuft keineswegs hektisch ab. Jeder nimmt Rücksicht auf den anderen. Nur die farbigen Linienbusse, die sogenannten „Chicken Buses“, jagen einem einen Schrecken ein, wenn sie in höllischem Tempo überholen, im besten Fall sogar in den Kurven.

        Das letzte Stück unserer Fahrt führt uns steil den Berg hinunter zum Lake Atitlan. In den folgenden Tagen werden wir ein paar Städtchen rund um diesen See besuchen. Wegen der steil abfallenden Küsten sind einige nur über den Seeweg zu erreichen. So steigen wir in Panajachel in ein Transportschiffchen, in eine sogenannte Lancha. Die abenteuerliche Wellenfahrt endet in San Marcos an einem wackeligen Holzsteg. Da stehen mindestens zehn Jungs bereit und streiten sich buchstäblich darum, wer unsere Rucksäcke zu unserem Hotel schleppen darf. Natürlich machen sie das nicht gratis. Und Neuankömmlinge wie wir, die sich im Voraus nicht um die einheimischen Tarife kümmern, überzahlen die Träger masslos. Aber was soll‘s.
        Unser Hotel klebt an einem üppig bewachsenen Steilhang. Es ist unglaublich, dass sich Leute wagen, an diese Felswände Häuschen zu hängen. Ein Felsbrocken ragt sogar in unser Zimmer. Nachtessen gibt es in einem Restaurant am See. Wie schon lange nicht mehr, ziehen wir uns lange Hosen und eine Jacke über. Es ist merklich kühler im Hochland.

        Das nächste Dorf erreichen wir wieder mit einer Lancha. San Pedro zeigt einen ganz anderen Charakter als San Marcos. Es ist voll von einladenden Cafés mit eigener Kaffeerösterei und übersät von gemütlichen Restaurants mit Seeblick. Nicht zu vergessen sind natürlich die bunten Handwerksläden, die die typisch guatemaltekisch bestickten Blusen, bunten Taschen, Decken und diverse andere Souvenirs anbieten. Es wimmelt hier von Feriengästen. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass hier Überfälle oder Verbrechen auf Touristen geschehen können. Alle Leute sind so freundlich und strahlen eine positive Lebenseinstellung aus.

        Am fünften Reisetag machen wir einen Zwischenstopp in Santiago. Schon beim Landeplatz der Lancha werden wir von Frauen überrumpelt, die uns ihre Waren verkaufen wollen. Tücher und Decken tragen sie auf Armen und Schultern, Kleinwaren transportieren sie in einem schweren Korb auf dem Kopf. Es wird uns oft zuviel und ist dann störend, wenn wir in einem Restaurant am Essen sind.
        Der Platz wimmelt auch von Tuktuk-Fahrern, die Gäste zu ihren Hotels fahren möchten. Für eine Stunde mieten wir einen Fahrer und rattern mit dem motorisierten Dreirad auf den Pflastersteinstrassen rund um Santiago zu seinen sehenswerten Orten. Danach führt uns eine Lancha zurück nach Panajachel. Da sich Christian recht stark erkältet hat und seine Atemwege zu sind, mieten wir im Hotel am Abend für eine Stunde den Whirlpool. Der aromatische Eukalyptusduft und der heisse Tee geben Christians Nase und Nebenhöhlen etwas Erleichterung.

        Sechster Reisetag. Wir sitzen im Shuttlebus zum grössten Handwerkermarkt in Guatemala, nach Chichicastenango. Wir kommen mit Marilyn und Jennifer ins Gespräch. Es sind Mutter und Tochter aus Dallas, die schon zum vierten Mal hierher kommen. Gerne profitieren wir von ihren Erfahrungen und lassen uns von den beiden Frauen direkt ins bunte Marktgeschehen führen.
        Dieser Markt ist grundsätzlich nicht für uns Touristen gedacht. Es ist ein Handelsmarkt für die Maya. Sie kommen zweimal pro Woche aus den Bergen und bieten ihre Handwerksarbeiten zum Verkauf an, die sie oder die Familiensippe selber hergestellt haben oder sie decken sich mit Lebensmitteln ein. So bewegen wir uns für die nächsten vier Stunden mitten im lauten Treiben der kleinen emsigen Guatemalteken. Natürlich feilschen wir auch und erwerben ein paar Erinnerungsstücke der guatemaltekischen Kunst.
        Die wenigen Touristen verschwinden im Rummel der Einheimischen. Christian und ich haben kein Problem, dass wir einander in diesem Getümmel verlieren könnten. Die Maya sind ein so kleingewachsenes Volk, dass sogar ich über die meisten Leute hinweg blicken kann. Das eindrücklichste Erlebnis erhaschen wir vor der Kirche. Es ist ein organisiertes Durcheinander: betende Männer, brennende Kerzen, dampfender Weihrauch, sitzende Frauen, spielende Kinder, hunderte von farbigen Blumen, Waren zum Verkauf... Christian und ich halten einfach mal einen Moment lang inne und nehmen dieses Bild mit all unseren Sinnen wahr.

        Die Stadt Antigua ist unser heutiges Ziel. Sie liegt zwischen dem Lake Atitlan und Guatemala. Die Busfahrt führt uns sicher zu unserem Hotel, das in einer sehr schönen Gartenanlage liegt. Im Zimmer haben wir sogar ein Cheminée und wir fühlen uns am Abend im Bett vor dem brennenden Feuer und in die Glotze starrend fast wie zuhause in der kalten Schweiz.

        Heute morgen packen wir Rucksack und Wanderschuhe. Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt des Vulkans Pacaya. Mit unserem Führer Roni besteigen wir den Vulkan bis zur erlaubten Höhe. Anfänglich wandern wir durch den Wald, der sich aber immer mehr lichtet. Das letzte Stück gehen wir auf der kargen, dunkelgrauen, harten Lawa weiter. Roni erzählt uns, wie er den letzten Ausbruch des Pacaya im Mai 2010 erlebt und dabei all sein Hab und Gut verloren hat.

        Den Charme der Stadt Antigua erkennen wir erst am nächsten Tag bei einer Stadttour mit Elisabeth Bell. Die Amerikanerin wohnt seit bald dreissig Jahren hier und gibt uns während ihrer spannenden Führung sehr viele Informationen über die Geschichte, die Politik und über die Lebensweise der Leute von Antigua.

        Zehn Reisetage sind im Nu verstrichen und schon sitzen wir wieder im Bus nach Rio Dulce. Etwa 40 km vor unserem Ziel liegt der Verkehr lahm. Hunderte von Lastwagen stehen dicht hintereinander vor uns. Der Buschauffeur tastet sich ganz langsam auf der Überholspur vorwärts und zieht an den stehenden Camions vorbei. Dabei sehen wir etwas für uns ganz Fremdes. Die Lastwagenchauffeure haben es sich unter ihren Fahrzeugen im Schatten gemütlich gemacht. Einige haben sogar die Hängematte gespannt, andere picknicken mit Frau und Kindern am Boden. Niemand ist nervös oder ungeduldig.
        Plötzlich stoppt auch unser Bus, eine Weiterfahrt ist unmöglich. Wir werden informiert, dass die Lehrer höhere Löhne fordern und deswegen die Strasse gesperrt halten. Voraussichtlich werde es noch lange dauern, bis der Streik beendet sei. So winken wir dem nächsten Tuktuk, steigen um und schlängeln uns damit auf engstem Raum zwischen Lastwagen, Autos und Menschenmengen durch bis zum Punkt, an welchem auch dieses kleine Fahrzeug kapitulieren muss. Zu Fuss überqueren wir die Strassensperre und schon wartet ein Bus auf uns. Heute verdienen die Chauffeure gut. Des einen Freud, des anderen Leid. Masslos überfüllt und in einem Höllentempo saust der halbe Schrottwagen in der brütenden Hitze nach Rio Dulce. Wir kommen am Ende unserer Reise doch noch in den Genuss, die Atmosphäre eines „Chickenbus“ zu erleben.
        Wie geniessen wir das erfrischende Bad im See in der Marina Tortugal!

        Innerhalb der letzten Monate haben Handwerker in der Marina ein neues Haus zum Übernachten für Backpackers aufgebaut. Dieses wird heute mit einem Fest eingeweiht. Schon am Mittag spielt Musik auf und es wird den Gästen feines Essen serviert. Am Abend findet dann der Höhepunkt statt. Ein Mayapriester führt eine lange Zeremonie nach dem Kult des Maximon durch, um das Haus vor Feuer, fremden Geistern und schlechten Energien zu schützen. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir an diesem spirituellen Ritual teilhaben dürfen. Schmunzeln muss ich ein bisschen über die Bekleidung des Priesters. Ich habe mir in meiner Vorstellung ausgemalt, er werde in einem feierlichen Gewand erscheinen. Er hingegen zelebriert in normalen Jeans und einem T-Shirt von Hollister.

        Wir sind nur ein paar Tage in der Marina und schon machen wir uns wieder auf die Reise. Wenn wir schon in Guatemala sind, wollen wir uns den grössten Mayatempel nicht entgehen lassen. So bringt uns die vierstündige Busfahrt diesmal Richtung Norden nach El Remate, wo wir übernachten.
        Schon morgens um 6 Uhr stehen wir am Tor von Tikal und zählen zu den ersten Besuchern dieser riesigen Tempelanlage, die sich über 15 km/2 erstreckt. Es ist unmöglich, jede einzelne Ausgrabung zu erkunden. So führt uns unser Guide Samuel gezielt zu den wichtigsten Tempeln und erklärt uns dazu den geschichtlichen Hintergrund. Wir sind überaus beeindruckt von der Baukunst und dem astronomischen Wissen dieses Urvolkes. Am frühen Nachmittag ist unsere Aufnahmekapazität erreicht und wir fühlen uns schlapp. Es ist erdrückend schwül. Da hilft nur noch ein „Powernap“ in der Hängematte im Schatten.

        Am dritten Tag unserer Kurzreise unternehmen wir eine 6 km lange Wanderung auf einem Pfad durch den Urwald. Wir hören munteres Vogelgezwitscher in allen Tonlagen, leider aber entdecken wir den Quetzal mit seinem schillernd grün-goldenen Federkleid nicht. Dies wäre der Nationalvogel von Guatemala. Doch wegen seinen begehrten Schwanzfedern wurde er beinahe ausgerottet und ist heutzutage leider selten zu sehen. Umso mehr erfreuen wir uns an den drolligen und kreischenden Affenfamilien, den Spider Monkeys, die sich in den hohen Baumwipfeln von Ast zu Ast schwingen. Die schwarzen und stattlichen Brüllaffen veranstalten einen unglaublichen Lärm, der Löwengebrüll ähnelt. Zu den eher unerwünschten Tierchen zählen die Moskitos. Zum Glück haben wir uns von Kopf bis Fuss gut mit Mückenmittel eingerieben.
        Am Nachmittag dann reisen wir zurück nach Rio Dulce.

        Wir sind überglücklich, dass wir „Guatemala, das Land mit den vielen Bäumen“, so problemlos bereisen durften. Wir fühlten uns in den Bussen, den Dörfern und während allen Führungen sicher und kamen nie in eine zweifelhafte Situation.

        In den verbleibenden vier Tagen in der Marina arbeiten wir wie fleissige Bienchen. Samuri muss gut vorbereitet sein auf ihre Ferien. Wir packen alles zusammen und fliegen am Mittwoch, den 11. August nach Vancouver.

        Während du diesen Blog liest, sind wir irgendwo mit einem gemieteten Van in Westkanada am Umherreisen. Hier treffen wir auf eine uns nicht fremde, aber gegenüber der Karibik wiederum völlig andere Kultur, Flora und Fauna. Ja, und danach gibt es endlich den lang ersehnten Heimaturlaub.

        Geniesst den verbleibenden Sommer und seid herzlich gegrüsst

        Evelyne & Christian

          Mexico

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          Es ist Dienstagmorgen, 26. April. Wir liegen in El Morro vor Anker. Christian fährt mit dem Dinghi nochmals an Land, um die letzten Formalitäten zum Ausklarieren in Kuba zu erledigen. Ich bereite ein paar einfache Mahlzeiten vor, die wir während der bevorstehenden Fahrt aufwärmen können. Um halb zehn Uhr sind wir soweit, Anker auf, adiòs Kuba!

          Vor uns liegen 117 Seemeilen. Da wir mit dem Kurs Richtung Mexiko gegen Wellen und Strom ankämpfen müssen, sind wir dankbar, dass der Wind mit guten 20 Knoten bläst. Wir machen im Durchschnitt 7 Knoten Fahrt. Doch angenehm ist die Reise nicht, wenigstens für mich nicht. Bei jedem Schritt im Schiff muss ich mich an Stangen und Griffen sichern, dass es mich nicht in alle Ecken schmeisst. So halte ich mich meistens auf meinem Sitz im Cockpit auf und halte Ausschau. Mir graut es beim Gedanken, dass bei diesen Konditionen eine Nacht vor uns liegt. Doch Christian geniesst die Rauschefahrt und liest gemütlich diverse Artikel in einem Heft.
          Wir kommen wider Erwarten schnell voran und tasten uns morgens um 4 Uhr bei 30 Knoten Wind mit Sperberblicken durch die verwirrenden Seezeichen in die Bucht der Isla Mujeres, Mexiko. Der Anker sitzt zum Glück beim ersten Versuch. Müde und glücklich über die problemlose Überfahrt sinken wir für wenigstens noch ein paar Stunden in den wohlverdienten Schlaf.

          Die Gastland- und die gelbe Einklarierungsflagge sind gehisst. Am Morgen parkiert der Proficapitano unsere Samuri zwischen die engen Pfosten der Marina Paraiso bei minimalstem Aktionsraum. Wir werden freundlich empfangen, sogar auf Hochdeutsch. Das Fahrtensegler-Ehepaar Romy und Theo aus München, deren Reise wir schon über längere Zeit mit grossem Interesse auf ihrem Blog verfolgt haben, liegt mit ihrem Katamaran TiTaRo auch in der Marina. Wir fühlen uns sofort wohl und werden sehr spontan der ganzen Seglergemeinschaft vorgestellt.
          Noch steht uns das Einklarierungsprozedere bevor. Theo hat in seinen Berichten darüber geschrieben, dass es am einfachsten ist, bei der Ankunft in der Marina in Mexiko den Hafenmeister José als Agent anzuheuern und das nötige Kleingeld bereit zu halten. Wie geraten, so getan. Es geht flott voran. José, der die ganze Sache sehr professionell koordiniert, bedankt sich bei jedem Beamten persönlich, indem er ihm kräftig die Hand schüttelt. Und man stelle sich bei diesem Akt die Übergabe der Bezahlung (um nicht zu sagen „des Schmiergeldes“) vor. Nach zwei Stunden ist die Sache geritzt.
          Die Gischt und der starke Seitenwind haben Samuri auf offener See so richtig eingesalzen. Bis in die kleinsten Ritzen scheint alles schmierig zu sein. So machen wir uns mit Süsswasser vom Hafen an die Schiffsreinigung.
          Am selben Abend noch werden wir von Romy und Theo mit feinstem Essen auf der TiTaRo verwöhnt. Wir haben so richtig Zeit zum Austauschen.

          Die kommenden Tage rauschen dahin. Es gibt wie immer diverse Aufräum- und Reparaturarbeiten an Samuri zu tun, wir skypen endlich wieder einmal mit all unseren Lieben zu Hause, decken uns am Markt mit süssen Früchten und frischem Gemüse ein, lernen in einheimischen Beizli die mexikanische Küche kennen, erkunden die Insel mit einem Golfcart, geniessen unsere erste Rückenmassage unter Palmen und ich gönne mir einen Einkaufsbummel in Cancun.

          Am 7. Mai beginnen wir die Reise zu einigen Mayatempeln in Yucatan. Wir haben uns in diversen Führern über das Land und die Wurzeln der Maya eingelesen. Gerne gebe ich dir dazu vorab ein paar Informationen, die mir wesentlich erscheinen.
          Die Halbinsel Yucatan liegt im Osten Mexikos und ist ein Schatzkästchen. Die schönsten Juwelen sind Kultur, Natur und Strände. Die ersten spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert hielten Yucatan für eine Insel. Bis heute ist Yucatan ein eigenes, anderes Stück Mexiko geblieben. Die Bewohner sind in erster Linie Yucateken und Maya, erst dann Mexikaner.

          Geologisch gesehen sitzt die Halbinsel auf einer nahezu vollständig flachen Kalksteinebene, die sich oft nur ein bis zwei Meter über den Meeresspiegel erhebt. Es gibt keine sichtbaren Flüsse. In Yucatan existiert das längste Unterwasser-Höhlensystem der Welt mit bis zu 172 km Distanz. Das Regenwasser sickert durch den lockeren Kalkstein und sammelt sich in diesen unterirdischen Flüssen. Oft bricht die Kalksteindecke ein und formt eine Art Trichter, Cenotes genannt. In vielen Cenotes spiegelt sich der Kult um den Regengott Chac wider. In einigen Wasserlöchern entdeckte man aus der Zeit der Maya reiche Opfergaben, mit denen vermutlich versucht wurde, den Regengott gnädig zu stimmen, denn Trinkwasser war immer knapp. Auch Menschenopfer wurden ihm dargebracht, wie Skelettfunde beweisen.

          Die höchsten Berge erreichen in der Puuc-Hügelkette 60 Meter. Dichter, meist unberührter, subtropischer Regenwald bedeckt weite Teile der südlichen Halbinsel, in welchem Jaguar, Wildkatzen, Weissrüsselbären, Gürteltiere, Klammeraffen, Kaninchen, Leguane, Waschbären und Vögel aller Arten beheimatet sind. Tief im Dschungel begraben liegen noch unzählige alte Maya-Stätten, die die Archäologen noch für mehrere Generationen beschäftigen werden.

          Als die Forscher im 18. und 19. Jahrhundert die einstigen grossen Maya-Stätten wieder entdeckten, waren sie absolut fasziniert und begannen sich vorzustellen, die Maya hätten Kontakt gehabt zu den alten Zivilisationen im Mittleren Osten, mit Ägypten, Assyrien oder Griechenland. Einige glaubten sogar, dass die Maya die Überlebenden der untergegangenen sagenhaften Atlantis seien.
          Die Maya widmeten sich in kleinen Dörfern dem Ackerbau. Nach und nach bauten sie Mais, Bohnen und Kürbis als Grundnahrungsmittel an. Die gleichen Nahrungsmittel, ergänzt mit Schwein und Huhn, bestimmen bei den Nachfahren noch heute den Speisezettel. Yucatan ist immer noch einer der bedeutendsten Schweinefleischproduzenten Mexikos.
          Der Honig von Yucatan wurde in der ganzen Gegend berühmt und machte die Maya als fähige Bienenzüchter bekannt. Honig ist in Yucatan ein wichtiges Exportprodukt geblieben. Als wichtige Handelsware galten auch Baumwolle und die Henequén-Aguave für die Herstellung kunstvoller Textilien und Seilen. Die Salzdeponien an der Nordküste waren hoch geschätzt. Salz wurde gegen Jade, Obsidian und andere wertvolle Handelsware in der Maya-Welt getauscht. Das grösste Zentrum des Handels war seinerzeit Chichén Itzà.

          Die typische Landschaft von Yucatàn ist geprägt von luftig hohen, mit Palmenwedeln gedeckten Hütten, den sogenannten Palapas, überdimensionalen Franziskanerklöstern und zerbröckelnden Haciendas. Auf diesen Landgütern lebten einst die Henequén Barone in Saus und Braus. Die Fasern der Aguave wurden hier von unterbezahlten Arbeitern zu Seilen verarbeitet, die in alle Welt exportiert wurden, bis synthetische Fasern den Markt eroberten.
          Nach Jahrzehnten des Verfalls sind einige Haciendas als exklusive Hotels wieder auferstanden. Henequén (auch Sisal genannt) wird in Yucatan immer noch angebaut, wenn auch in erheblich kleinerem Umfang. Statt Seile für die Industrie werden aus den Fasern hübsche Taschen, Teppiche und Hängematten hergestellt.
          Das Einkommen Yucatans speist sich aus zwei ziemlich unverträglichen Quellen: Öl und Tourismus. Die Ölgewinnung bleibt glücklicherweise auf einige Inseln vor der Küste beschränkt, während der Tourismus längst grosse Teile der karibischen Küste erobert hat.
          Der weltweit populäre Badeort Cancun mit seinen Stränden an der angrenzenden Küste, Rivièra Maya genannt, empfängt heute mehr als drei Millionen internationaler Touristen.

          Der grösste lebende Schatz ist das weltweit zweitlängste Barrier-Riff mit seinen 300km. Es beherbergt tausende von Korallenarten und mindestens 18 gesunkene Galeonen. Hinzu kommen zeitweilige Meeresbesucher wie Delphine, Wale, Tarpune, Thunfische, Schildkröten und verschiedene Haifischarten.
          Um diesen Schatz zu sichern, arbeiten Naturschutz- und Umweltschutzgruppen mit dem World Wildlife Fund zusammen. Sie experimentieren mit rotierendem Anbau, versuchen die kommerzielle Fischerei zu beschränken und stellen Bewässerungsanlagen vor, die einer Farm die Selbstversorgung sichern können. Ein neuartiges Konzept der nachhaltigen Nutzung steckt in der Idee eines Biospärenreservats.

          Zurück zum 7. Mai, unserem ersten Reisetag. Die moderne Fähre setzt uns früh morgens von der Isla Mujeres nach Cancun über, wo wir ein Mietauto entgegen nehmen. Wir sind mit einem GPS ausgerüstet, besorgen uns aber zusätzlich eine Papierkarte, die uns einen Strassen-Gesamtüberblick unserer geplanten Rundreise gibt.

          Unser heutiges Ziel ist das Städtchen Valladolid, ein einstiges Mayacenter, das Zaci genannt wurde. An diesem ersten Tag steigen wir zum Cenote Zaci hinunter und sind erstaunt über das Ausmass dieses Wassertrichters. Einheimische Kinder springen von der Felskante und erfrischen sich im kühlenden Wasser. Danach schlendern wir durch einen kleinen Handwerkermarkt und werden mit der feuchten Hitze und der Windstille des Landesinnern konfrontiert. Das kann ja heiter werden! So kommt uns der begrünte Innenhof mit kleinem Pool unseres Hotels sehr gelegen. Wir brauchen einen kurzen Erholungs- und Abkühlungsschlaf, bevor wir das mexikanische Abendessen geniessen.

          Zweiter Tag: Voller Erwartungen stehen wir am frühen Morgen am Tempeleingang in Ek-Balam. Frisch und munter spazieren wir der uralten Stätte entgegen und sind gespannt auf unseren ersten Eindruck. Und er ist faszinierend! Der stattliche Palast, der erst vor wenigen Jahren ausgegraben wurde, liegt in voller Schönheit vor uns, umgeben von vielen anderen Bauten und riesigen uralten Bäumen. Wir sind die ersten Besucher und können die mystische Ruhe hier voll geniessen. Wir besteigen die steile Treppe und werden weiter eingenommen vom unendlich weiten Rundumblick über die Ebene. Wow!
          Mit diesem beeindruckenden Einstieg in unsere Kulturreise führt uns der Weg nach Chichén Itzà. Wir beziehen ein Hotel, gönnen uns ein Erholungsschläfchen und schauen uns am Abend das Licht- und Farbspektakel von diesem Tempel an.

          Dritter Tag: Besichtigung von Chichén Itzà. Für diese grösste und bekannteste Mayastätte auf der Halbinsel Yucatan nehmen wir uns einen Führer. Dieses bedeutende antike Denkmal wurde im 5. Jahrhundert gegründet und blühte 500 Jahre lang im Verborgenen, bis es zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert zur wichtigsten Stadt im Norden Yucatans wurde. Darstellungen von Kriegern, Adlern, gefiederten Schlangen und dem Regengott Chac sind hier typisch.
          Auf diesem Gelände geht es touristisch zu und her. Die Wege zu den anderen Bauten der Anlage sind gesäumt von zu vielen Souvenierständen und je älter der Tag wird, umso mehr Leute beleben das riesige Gebiet. So ist es gegen Mittag Zeit für uns, weiter nach Izamal zu reisen.
          Das Romantikhotel Santo Domingo ist unsere Schlafstätte. Wir werden sehr herzlich empfangen, relaxen am Pool, dösen in der Hängematte und werden mit feinstem Essen verwöhnt. Harald, der österreichische Besitzer, nimmt sich Zeit für uns, gibt uns Informationen über lohnenswerte Ausflüge und erzählt uns viel aus seinem Leben. Im Moment lebt er in Izamal mit seiner mexikanischen Frau Sonja und ist daran, die restlichen Boxen des ehemaligen Reitstalls in Zimmer oder Suiten umzubauen. Und er macht das mit sehr viel Liebe und grossem Flair. Auf dem Grundstück leben Hunde und Schafe, in Zukunft sollen Hühner und Pferde dazu kommen.
          Wir fühlen uns hier so wohl, dass dieses Hotel für die nächsten Tage unser „Zuhause“ wird. Es ist wie eine Oase, zu der wir nach einem kulturlastigen Tag in der glühenden Hitze gerne zurück kommen.

          Vierter Tag: Sonja und Harald nehmen uns in ihrem Privatauto mit in die elegante Kolonialstadt Mérida. Während die beiden Einkäufe fürs Hotel erledigen, widmen wir uns den Casas de las Artisanias. Christian deckt sich mit ein paar Hosen und Hemden in bester Sisalqualität ein. Und der Einkauf von Hängematten wird hier zu einem absoluten Muss.
          In der Mittagspause in einem kleinen Café machen wir eine amüsante Bekanntschaft. Wir werden von einem Mexikaner auf deutsch angesprochen, der sich als Hansi vorstellt. Er bittet uns, Alfred Schätzle, dem Avia Tankstellenbesitzer, unbedingt einen Gruss auszurichten. Er habe lange Zeit für ihn gearbeitet. Dann verrät er uns die besten Einkaufsläden, erzählt über Wetter und Kultur und erklärt uns zu guter Letzt die Herstellung des traditionellen Hutes aus Sisal. Als beste Qualität gilt nur, wenn der Hut sehr fein gewoben, klein zusammen rollbar und absolut wasserdicht ist.
          Zurück in Izamal stossen wir nach dem schmackhaften Abendessen gemeinsam auf Sonjas Geburtstag an.

          Fünfter Tag: Wir fahren nach Sayachuleb ans Meer in ein Biosphärenreservat und entdecken auf der Fahrt mit einem kleinen Boot durch die wilde Lagune einige Krokodile. Leider werden die Flamingos erst im September wieder hierher kommen. Eindrücklich sind die Salzkristalle, die wir in kleinen, langsam eintrocknenden Teichen vorfinden.
          Auf der Rückfahrt besuchen wir die Tempelstätte Aké. Der Weg ist weit, wir schwitzen. Die Temperatur steigt auch heute Nachmittag wieder gegen 40 Grad. Doch schon beim ersten Blick auf die Tempelstätte wissen wir, der Aufwand hat sich gelohnt. In Aké haben sich schon vor dem Jahr 300 die Maya-Oberhäupter getroffen, um über Bündnisse zu verhandeln. Die zuoberst stehenden 30 steinernen Säulen trugen einst ein Holzdach.

          Sechster Tag: Heute besichtigen wir die Hacienda Sotut. Eine professionelle Führung veranschaulicht uns hautnah den detaillierten Ablauf der Sisalproduktion mit den urtümlichen Techniken und Maschinen. Mit einem Pferdewagen durchfahren wir ein Aguavenfeld und besuchen einen der letzten Feldarbeiter in seiner Mayahütte. Das Bad in der romantischen Cenote bringt uns die willkommene Abkühlung.

          Siebter Tag: Die Legende des Tempels von Uxmal beschreibt, dass diese riesige Tempelstätte vom Sohn einer Hexe in einer einzigen Nacht erbaut wurde. Tatsächlich ist es natürlich das Ergebnis mehrerer Generationen. Speziell zu erwähnen sind hier einige hölzerne Türstützen, die aus dem sehr harten und robusten Holz des Sapodillabaumes angefertigt wurden. Sie haben die Zeiten überdauert. Unser Führer Dani gibt uns mit Begeisterung spannende Informationen, zeichnet für uns einen Mayakalender in den Sand und erklärt uns dessen verschiedene Zyklen, erzählt uns über den Verlauf der Ausgrabungen und gibt uns auch über Land und Volk sein Wissen gerne weiter.
          Am Abend lassen wir uns mit dem Licht, dem Farbenspiel und der Musik der Light-Show berieseln.

          Achter Tag: Wir spüren, dass wir von der umwerfenden Kultur der Maya so langsam gesättigt sind. Als letzte Tempel schauen wir uns Kabah und Labna an, nochmals majestätisch anwirkende Bauwerke. Danach fahren wir gemütlich Richtung Valladolid, dem Städtchen, in welchem unsere Reise begonnen hat.

          Neunter Tag: Es ist der definitive Rückreisetag. In Cancun legen wir eine Pause ein. Angelegt wie ein Dorf auf einer künstlichen Insel und von Sonnensegeln überspannt, lädt das Shopping Center „La Isla“ zum Flanieren ein. Danach geben wir unser Mietauto ab, nehmen die Fähre zurück zur Isla Mujeres und erreichen müde, doch reich beschenkt mit unvergesslichen Eindrücken gegen Abend Samuri.

          So wie Christian und ich Haralds Projekt bestaunen, so bewundert er unsere Segelreise. Daher kommen uns Harald und Sonja ganz spontan auf der Isla Mujeres besuchen und verbringen auf Samuri ihre erste Nacht auf einem Katamaran.

          Für uns wird es Zeit aufzubrechen. Es ist erschreckend: der obere Teil der Küste von Yucatan ist buchstäblich zugepflastert von Touristenhotels. Leider sind nur wenige optisch ansprechend oder harmonisch in die Landschaft eingebettet. Da uns dieser Küstenabschnitt nichts bietet, machen wir in grossen Schritten Weg nach Süden.

          Einen Zwischenstopp gibt es in der Puerto Aventura, einer mediterran wirkenden Hafenanlage. Hier leben Delphine, Manatees und Seelöwen wohl in Gefangenschaft, wenigstens aber in abgegrenzten Teilen des Hafenbeckens mit natürlichem Grund. Die Tiere erscheinen uns gesund und munter. Die Delphine sehen wir oft spielen und springen. Von einem Forscher, der hier Studien über Manatees macht, erfahren wir Einiges über diese drollige Spezie. Ich nutze die Gelegenheit, Delphine zum ersten Mal hautnah zu erleben. Diese faszinierenden Tiere fühlen sich sehr sanft und doch unglaublich stark an. Nach diesem Kontakt habe ich immer noch sehr viel Respekt vor diesen Tieren und bin mir nicht sicher, ob ich mich ins offene Wasser zu einem Delphin wagen würde.

          Im untersten Teil Mexikos erleben wir nochmals ein paar Tage in der unberührten Natur. Die verschiedenen Wassertiefen zusammen mit dem Licht- und Schattenspiel der Sonne mit den Wolken lassen das Wasser in all seinen Grün- und Blautönen erscheinen. Die Riffgürtel fordern uns zur genauen Navigation auf, denn auf unseren Kartenplotter können wir uns nur bedingt verlassen. Die Karte scheint nicht mehr die aktuellste zu sein und Wind und Wetter verändern doch so manches in der Natur. Für uns ist „Augapfelnavigation“ angesagt. Und ob sich dies lohnt! Bei Xcalat, unserem Ausklarierungsort von Mexiko, sehen wir ein Schiff auf dem Riff liegen, ein unschöner Anblick.

          Mit grosser Dankbarkeit an all unsere Wind- und Wettergötter und unsere geistigen Beschützer sagen wir adios Mexiko.

          Herzlichst Evelyne & Christian

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